Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. 577 
§. 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, 
wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig geworden war. 
§. 31. Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähig- 
keit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine, sowie 
die vanernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von Rechtswegen 
ur Folge. 
Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Advo- 
katur, die Anwaltschaft und das Notariat, sowie der Geschworenen= und Schöffen- 
dienst mitbegriffen. 
§. 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe kann auf den 
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefängnißstrafe 
nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder 
das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt, oder 
die Gefängnißstrafe wegen Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zucht- 
hausstrafe ausgesprochen wird. 
Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens 
zwei und höchstens zehn Jahre!) bei Gefängnißstrafe mindestens ein Jahr und 
höchstens fünf Jahre. 
B¾l 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauern- 
den Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten hervorgegangenen 
Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Aemter, Würden, 
Titel, Orden und Ehrenzeichen. 
§. 34. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die 
Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit 
die Landeskokarde zu tragen; 
in das Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten; 
öffentliche Aemter:), Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen 3) zu er- 
langen; 
in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu 
werden oder andere politische Rechte auszuüben; 
Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu sein; 
Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied 
eines Familienraths zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte 
absteigender Linie handele und die obervormundschaftliche Behörde oder 
der Familienrath die Genehmigung ertheile"). 
§. 35. Neben einer Gefängnißstrafe, mit welcher die Aberkennung der 
bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf 
die Unfähigkeit) zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von einem 
bis zu fünf Jahren erkannt werden. 
Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat den 
dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen zur Folge. 
Zu Anmerkung à auf S. 576. 
mittels Zusammenrechnung für mehrere selbständige Handlungen festgesetzt ist, E. 
Crim. IV. 367, doch ist der Höchstbetrag im Fall der Konkurrenz gemäß §. 78 Abs. 2 
bei Gefängnißstrafe 2 Jahre, bei Haft 3 Monate. 
1) Auch bei Realkonkurrenz mehrerer mit Zuchthaus bestrafter Verbrechen, 
Rechtspr. IV. 479. 
2) Die Verurtheilung eines pensionirten Beamten zu Zuchthausstrase hat nicht 
den Verlust des Ruhegehaltes zur Folge, vergl. Opp. Anm. 12 zu §F. 31. 
3) Wegen Abnahme und Ablieferung der Orden und Ehrenzeichen vergl. Res. 
25. Aug. 1879 Nr. 15 (J. M. Bl. S. 251). 
4) Weitere Folgen: C. P. O. §. 858 Abs. 3; Gew. O. S8. 43, 57, 62, 83, 86, 
100 a, 106; Preß-Ges. §§g. 5, 8; Ger. V. G. §. 176; Rechtsanw. O. §. 6; Kranken- 
kassenges. 15. Juni 1883 F. 37. 
*) Auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und zeitige Unfähigkeit zur Beklei- 
dung öffentlicher Aemter darf nicht nebeneinander erkannt werden — die eine Strafe 
irhde andere aus, Erk. O. Trib. 18. Febr 1874 (E. LXXII. 329; E. Crim. 
XXI. 264). 
Illing-Kautz, Handbuch I, 7. Aufl. 37 
o ##—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.