Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

690 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Hochverrath und Landesverrath. 
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer 
Handlungen. 
§. 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt 
so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafe, und bei ungleichen 
Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart androht, zur An- 
wendung. 
S. 74. Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbständige Handlungen 
mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder dasselbe Verbrechen oder Vergehen 
mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt hat 
ist auf eine Gesammtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung der ver- 
wirkten schwersten Strafe besteht . 
Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Er- 
höhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. 
Das Maß der Gesammtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen 
nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängniß, oder 
fünfzehnjährige Festungshaft nicht übersteigen. 
§. 75. Trifft Festungshaft nur mit Gefängniß zusammen, so ist auf jede 
dieser Strafarten gesondert zu erkennen. 
Ist Festungshaft oder Gefängniß mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der 
mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als wenn dieselben allein ver- 
wirkt wären. 
Die Gesammtdauer der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre 
nicht übersteigen. 
§. 76. Die Verurtheilung zu einer Gesammtstrafe schließt die Aberkennung 
der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn diese auch nur neben einer der 
verwirkten Einzelstrafen zulässig oder geboten ist. 
Ingleichen kann neben der Gesammtstrafe auf Zulässigkeit von Polizei- 
Aufsicht erkannt werden, wenn dieses auch nur wegen einer der mehreren straf- 
baren Handlungen statthaft ist. 
§. 77. Trifft Haft mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf 
die erstere gesondert zu erkennen. 
Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesammtbetrage nach, jedoch 
nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen. 
§. 78. Auf Geldstrafen, welche wegen mehrerer strafbarer Handlungen 
allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ist ihrem vollen Betrage 
nach zu erkennen. 
Bei Umwandlung mehrerer Geldstrafen ist der Höchstbetrag der an die 
Stelle derselben tretenden Freiheitsstrafe zwei Jahre Gefängniß und, wenn die 
mehreren Geldstrafen nur wegen Uebertretungen erkannt worden sind, drei 
Monate Haft. 
§. 79. Die Vorschriften der §§. 74 bis 78 finden auch Anwendung, wenn 
bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die Verurtheilung 
wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der früheren Verurtheilung 
begangen war?). 
  
Zweiter Theil. 
Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen 
und deren Bestrafung. 
Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath. 
§. 80. Der Mord und der Versuch des Mordes, welche an dem Kaiser, 
an dem eigenen Landesherrn, oder während des Aufenthalts in einem Bundes- 
  
1) Freiheitsstrafen an Stelle von mehreren Geldstrafen dürfen zu einer Gesammt- 
strafe nicht verbunden werden, Erk. 15. April 1882 (Rechtspr. IV. 236). 
2) Vergl. Str. P. O. 8§. 492, 494 und Bundesrathsbeschl. 11. Juni 1835 
(J. M. Bl. S. 309), betr. Grundsätze für die Vollstreckung bei mehreren betheiligten 
Bundesstaaten.
	        
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