596 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Widerstand gegen die Staatsgewalt.
verhandlung beauftragt, ein unrichtiges Ergebniß, der Wahlhandlung vorsätzlich
herbeiführt oder das Ergebniß verfälscht, wird mit Gefängniß von einer Woche
bis zu drei Jahren bestraft.
Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht mit der Samm-
lung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei dem Wahl-
geschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein.
Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 109. Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft 9
oder verkauft, wird mit Gefängniß von einem Monat bis zu zwei Jahren be-
straft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt.
§. 110. Wer öffentlich ) vor einer Menschenmenge, oder wer durch Ver-
breitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften
oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam") gegen Gesetze oder rechtsgültige
Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit") innerhalb ihrer Zuständig-
keit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 111. Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren
Handlung?) auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Auf-
forderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur
Folge gehabt hat.
Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu
sechshundert Mark oder Gefängnißstrafe bis zu einem Jahre ein. Die Strafe
darf jedoch der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die
Handlung selber angedrohte.
§. 112. Wer eine Person des Soldatenstandes, es sei des Deutschen
Heeres oder der kaiserlichen Marine, auffordert oder anreizt, dem Befehle des
Oberen nicht Gehorsam zu leisten, wer insbesondere eine Person, welche zum
Beurlaubtenstande gehört, auffordert oder anreizt, der Einberufung zum Dienste
nicht zu folgen, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
Sel13. Wer einem Beamten?), welcher zur Vollstreckung von Gesetzen,
von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urtheilen
Zu Anmerkung 1 auf S. 595.
lich bewirkt und hierdurch das Ergebniß der Wahlhandlung beeinflußt wird, Erk.
31. Jan. 1884 (E. Crim. X. 60).
Gleichgültig ist, ob in der Person des Gewählten eine Aenderung bewirkt worden
ist, E. Crim. V. 49; VII. 144; XX. 420.
) Der §. 109 findet auch daun Anwendung, wenn der Entgelt nicht in Geld,
sondern in anderen Werthgegenständen z. B. in einer Bewirthung besteht, Opp.
Anm. 4 zu §. 109, oder in Erstattung von Reisekosten, Erk. 6. Nov. 1884 (E. Crim.
XI. 218), sowie auch, wenn es sich nur um die Wahl von Gemeindebeamten handelt
Erk. 9. Nov. 1882 (E. Crim. V. 223) und 15. Nov. 1883 (E. Crim. XI. 197).
Jedoch bleibt ein einseitiges Versprechen ein strafloser Versuch, E. Crim. VI. 194.
*) Ueber den Begriff der Oeffentlichkeit vergl. §. 85.
2) Wer die von einem Anderen herrührende Aufforderung zum Ungehorsam 2c.
mit der Kenntniß von diesem Inhalte weiter verbreitet, verwirkt die Strafe des F. 110
auch dann, wenn seine Absicht nicht dahin gerichtet war, bei dritten Personen den
Willen zum Handeln gegen die Gesetze 2c. hervorzurufen, Erk. 5. Okt. 1875 (J. M.
Bl. 1876 S. 60).
4) Der Evangelische Ober-Kirchenrath ist eine Obrigkeit im Sinne des §. 110,
Erk. O. Trib. 28. Jan. 1876 (E. LXXVII. 351).
5) Dahin gehört beispielsweise die Aufforderung, schulpflichtige Kinder nicht in
die Schule zu schicken, Erk. O. Trib. 19. Nov. 1862, Opp. Anm. 3 zu §. 110.
6) Ueber das Wesentliche der Beamtenqualitär vergl. §. 359. Behauptet der
Angeschuldigte, die Beamtenqualität nicht gekannt zu haben, so kommt §. 59 zur An-
wendung.