Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

600 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Widerstand gegen die Staatsgewalt. 
Bedrohung mit Gewalt1) Widerstand leistet, oder wer eine dieser Personen 
während der Ansübung ihres Amtes oder Rechtes thätlich angreift, wird mit 
Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft. 
Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr), 
Aexten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an der 
Person begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. 
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz 1 
Gefängnißstrafe bis zu einem Jahre, in den Fällen des Absatz 2 Gefängniß- 
strafe nicht unter einem Monat ein. 
§. 118. Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung 
dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf 
Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. 
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter 
drei Monaten ein. 
§. 119. Wenn eine der in den §§. 117 und 118 bezeichneten Handlungen 
von Mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis 
um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnißstrafe jedoch nicht 
über fünf Jahre erhöht werden. 
§. 120. Wer einen Gefangenens) aus der Gefangenanstalt oder aus der 
Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Be- 
aufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder 
ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behülflich ist, wird mit Gefängniß bis zu 
drei Jahren bestraft. 
Der Versuch ist strafbar. 
§. 121. Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder 
Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert 
wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. « 
  
  
Zu Anmerkung 2 auf S. 599. 
ordnung des Vorgesetzten an sich nicht gerechtfertigt sein sollte, das durch die Sub- 
ordinationspflicht gebotene Vorgehen des Untergebenen eine rechtmäßige Ausübung 
seines Amtes, Erk. 15. März 1887 (E. Crim. XV. 3560). 
Unter den Thatbestand des in §. 117 vorgesehenen Vergehens fällt auch derjenige 
Widerstand, welcher den Berechtigten bei Ausübung ihres Jagdrechtes entgegengesetzt 
wird, Erk. R. G. 29. Mai 1880 (E. Crim. II. 170). 
1) Die Gewalt braucht nicht gegen die Person des Beamten verübt zu sein, 
Erk. O. Trib. 6. Jan. 1875, es genügt das gewaltsame Festhalten der Gegenstände, 
die der Pa#te mit Beschlag belegen will, Erk. 8. Sept. 1869 bei Opp. Anm. 12 
zu J. 117. 
2) Die obige Vorschrift kommt zur Anwendung, auch wenn das Gewehr nicht 
geladen war, Erk. 25. Okt. 1883 (E. Crim. IX. 176). 
2) Dienstboten, welche unbefugt ihren Dienst verlassen haben und im polizeilichen 
Zwangswege der Herrschaft zugeführt werden, sind Gefangene im Sinne des F. 120 
Erk. O. Trib. 1. Okt. 1874, desgl. die im öffentlichen Interesse einer öffent- 
lichen oder Privat-Irrenanstalt übergebenen Geisteskranken, Erk. O. Trib. 30. Nov. 
1877 bei Opp. Anm. 1 zu §. 120. 
Unter Gefangenen im obigen Sinne sind nicht bloß verhaftete und vorläuf 
sestgenommene, sondern alle diejenigen Personen zu verstehen, welchen in gesetzlich 
gebilligter Form aus Gründen des öffentlichen Interesses die persönliche Freiheit ent- 
zogen ist und die sich zufolge dieser Freiheitsentziehung in der Gewalt der zuständigen 
Behörde befinden, Erk. 1. Mai 1885 (E. Crim. XlI. 162). (In casu handelte es 
sich um eine Person, gegen die ein Vorführungsbefehl (s. 134 der Str. P. O. 
erlassen war und die zu einem Termin transportirt wurde.) 
Auch Personen, die behufs Feststellung ihres Namens sistirt werden sollen, sind 
Gefangene im Sinne des §. 120, Erk. 12. Okt. 1885 (E. Crim. XII. 426). Selbst- 
befreiung eines Gefangenen ist straflos, nicht aber Anstistung dazu, E. Crim. III. 140. 
Der §. 120 Str. G. B. findet nicht Anwendung wegen Entziehung eines 
Kindes aus der Erziehungsanstalt, welcher es auf Grund Ges. 13. März 1878, 
betr. die Unterbringung verwahrloster Kinder, durch obervormundschaftliche Anordnung 
übergeben ist, Erk. 8. Nov. 1880 (E. Crim. XV. 39), E. Crim. XVII. 69.
	        
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