Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

646 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch. Verbrechen und Vergehen im Amte. 
Ist in Folge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden, so 
tritt Gefängnißstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren ein. 4# 
§. 329. Wer die von einer Behörde geschlossenen Lieferungsverträge über 
Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit eines Krieges, oder über 
Lebensmittel zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes vorsätzlich 
entweder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weise 
erfüllt, wird mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft; auch kann auf 
Verlust der bürgerlichen Ehreurechte erkannt werden. 
Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit zum Grunde, so ist, 
wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Gefängniß 
bis zwei Jahren zu erkennen. 
Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Vermittler und 
Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zweckes 
der Lieferung die Nichterfüllung derselben vorsätzlich oder aus Fahrlaͤssigkeit 
verursachen. 
§. 330. Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die 
allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt:), daß hieraus 
für Andere Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark 
oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. 
Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im 
Amte. 
§. 331. Ein Beamter:), welcher für eine in sein Amt einschlagende, an 
sich nicht pflichtwidrige Handlung?) Geschenke") oder andere Vortheiles) an- 
  
Zu Anmerkung 2 auf S. 645. 
voraus, sondern auch das Bewußtsein, ihm durch die inkriminirte That entgegen- 
zuhandeln; sie ist also ausgeschlossen, wenn der Angeklagte irrthümlich — mag auch 
der Irrthum ein unentschuldbarer gewesen sein — angenommen hat, durch seine 
Handlung nicht gegen die polizeiliche Anordnung zu verstoßen. Es handelt sich dabei 
nicht um eine irrige Auslegung des Strafgesetzes, auf die sich der Angeklagte aller- 
dings nicht würde berufen können, sondern um einen Irrthum über die Tragweite 
der polizeilichen Anordnung, beziehungsweise des Verhältnisses derselben zu den ihm 
civilrechtlich zustehenden Rechten und obliegenden Pflichten. — Zuständige Behörde 
ist jede, welche nach den betreffenden Landesgesetzen befugt ist, Schutzmaßregeln gegen 
die Viehseuche anzuordnen, Erk. R. G. 21. Okt. 1879 (E. Crim. I. 1). Beispiels- 
weise ist also zur Anordnung der Maßregeln Behufs Verhütung des Verbreitens der 
Tollwuth (Festlegung aller Hunde des Polizeibezirks rc. #c.) nach §. 1 Ges. 12. März 
1881 (weiter unten abgedruckt) die Ortspolizeibehörde zuständig, Erk. 30. Jan. 1885 
(E. Crim. XII. 19). 
1) Der §. 330 kommt auch zur Anwendung, wenn das zu dem Bau gehörende 
Baugerüst in kunstwidriger, gefahrdrohender Weise errichtet wird, Erk. O. Trib. 
26. Mai 1865, oder wenn der Leiter des Baues es an der Ueberwachung der Arbeiter 
fehlen läßt, und in Folge dessen die Voraussetzungen des §. 330 eintreffen, Erk. 
17. Dez. 1868, Opp. Anm. 1 und 3 zu §. 330. Nicht nur Mängel in der tech- 
nischen Konstruktion, sondern auch Verstöße wider die allgemeinen Regeln der Bau- 
kunst, die nach hygienischen Rücksichten eine Gefährdung Anderer herbeiführen 
(Schwammbildung für die Bewohner eines Hauses), fallen unter §. 330, Erk. R. G. 
28. Sept. 1895 (E. Crim. XXVII. 388). Unter Bau ist nicht nur Hochbau, sondern 
auch Wasser-, Straßen= und Bergbau zu verstehen, E. Crim. XXIII. 277. 
2) Ueber den Begriff eines Beamten vergl. §. 359. 
Hält ein Beamter sein Einschreiten nach pflichtmäßigem Ermessen für geboten, 
so wird seine Amtsausübung dadurch, daß die objektiven Vorbedingungen von ihm 
aus thatsächlichem Irrthum fälschlicher Weise als vorliegend erachtet wurden, nicht zu 
einer unrechtmäßigen, wohl aber wenn er sich im Rechtsirrthum über den Inhalt von 
Gesetzen befindet, Erk. R. G. 17. Jan. 1888. · 
3) Der Begriff „Handlung“ umfaßt auch „Unterlassungen“, Mot. S. 16. 
4) Ueber die Annahme von Geschenken durch Beamte mit Genehmigung der vor- 
gesetzten Behörde vergl. oben S. 131. 6 
5) Dahin gehört auch die Gestattung des Beischlafs, Erk. 5. Nov. 1883 (E. 
Crim. IX. 1606).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.