Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt X. Strafprozeß. Gerichtsstand. Ausschließung. 719 
8. 6. Diese prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle Straf- 
sachen, deren Entscheidung in Gemäßheit des 8. 3 nach den Vorschriften der Straf- 
prozeßordnung zu erfolgen hat, außer Kraft, insoweit nicht in der Strafprozeßordnung 
anf sie verwiesen ist. 
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Bestimmungen: 
1. über die Voraussetzungen, unter welchen gegen Mitglieder einer gesetzgebenden 
Versammlung während der Dauer einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung 
eingeleitet oder fortgesetzt werden kann; 
2. über das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über das Ver- 
eins= und Versammlungsrecht; 
3. über das Verfahren im Verwaltungswege bei Uebertretungen, wegen deren die 
Polizeibehörden zum Erlaß einer Strafverfügung befugt sind und bei Zuwider- 
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und 
Gefälle, insoweit nicht die §§. 453, 454, 455 und 459—463 der Strafprozeß- 
ordnung abändernde Bestimmungen treffen. 
  
Strafprozeßordunung. 
Vom 1. Februar 1877 (R. G. Bl. S. 253) 0. 
Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen. 
Zweiter Abschnitt. Gerichtsstand. 
§. 7. Der Gerichtsstand ist bei demjenigen Gerichte begründet, in dessen Bezirk 
die strafbare Handlung begangen ist?. 
§. 8. Der Gerichtsstand ist auch bei demjenigen Gerichte begründet, in dessen 
Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. 
Hat der Angeschuldigte seinen Wohnsitz im Deutschen Reich nicht, so wird der 
Gerichtsstand auch durch den gewöhnlichen Aufenthaltsort und, wenn ein solcher nicht 
bekannt ist, durch den letzten Wohnsttz bestimmt. 
#§. 9. Wenn die strafbare Handlung im Auslande ?) begangen und ein Gerichts- 
stand in Gemäßheit des §. 8 nicht begründet ist, so ist dasjenige Gericht zuständig, 
in dessen Bezirk die Ergreifung erfolgt. Hat eine Ergreifung nicht stattgefunden, so 
wird das zuständige Gericht vom Reichsgerichte bestimmt. 
Gleiches gilt, wenn eine strafbare Handlung im Inlande begangen ist, jedoch 
weder der Gerichtsstand der begangenen That noch der Gerichtsstand des Wohnsttzes 
ermittelt ist. 
#§s. 12. Unter mehreren nach den Vorschriften der 9§. 7—11 zustän- 
digen Gerichten gebührt demjenigen der Vorzug, welches die Unter- 
suchung zuerst eröffnet hat. 
Jedoch kann die Untersuchung und Entscheidung einem anderen der zuständigen 
Gerichte durch das gemeinschaftliche obere Gericht übertragen werden. 
§. 14. Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so 
bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht dasjenige Gericht, welches sich der Unter- 
suchung und Entscheidung zu unterziehen hat. 
Dritter Abschnitt. Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. 
§. 22. Ein Richter ist von der Auslbung seines Richteramtes kraft Gesetzes 
ausgeschlossen: 
  
  
!) Kommentare von Stenglein, 2. Aufl. Nördlingen 1889, Löwe-Hellweg, 8. Aufl. 
Berlin 1894. 
2) D. h. da, wo die zum Begriff des Delikts erforderlichen Handlungen vorge- 
nommen werden, E. Crim. I. 279. Kommen die Thatbestandsakte an verschiedenen 
Orten zur Existenz, so ist die strasbare Handlung an jedem dieser Orte begangen, E. 
Crim. XV. 232; XX. 146. · 
I)AuslandiftjedecnichtzumDeutfchenReichegehörigeGebtet,Rechtipr.1.322.
	        
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