Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

720 Abschnitt X. Strafprozeß. Ablehnung. Fristen. 
wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt ist; 
wenn er Ehemann oder Vormund der beschuldigten oder der verletzten Person 
ist oder gewesen ist; 
3. wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie 
verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis 
zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch 
wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht; 
4. wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, 
als Anwalt des Verletzten oder als Vertheidiger thätig gewesen ist; 
5. wenu er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist. 
§. 24. Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung 
des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgniß der Be- 
fangenheit abgelehnt werden. 
Wegen Besorgniß der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund 
vorliegt, welcher geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu 
rechtfertigen 70. 
Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem 
Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur 
Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen. 
§. 31. Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden auf Schöffen und Gerichts- 
schreiber entsprechende Anwendung. 
Die Entscheidung über eine Ausschließung oder Ablehnung von Schöffen erfolgt 
durch den Amtsrichter. Ueber die Ausschließung oder Ablehnung eines Gerichts- 
schreibers entscheidet das Gericht oder der Richter, welchem derselbe beigegeben ist. 
#.— 
Fünfter Abschnitt. Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 
§. 42. Bei der Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, wird 
der Tag nicht mitgerechnet, auf welchen der Zeitpunkt oder das Ereigniß fällt, nach 
welchem der Anfang der Frist sich richten soll. 
.6. 43. Eine Frist, welche nach Wochen oder Monaten bestimmt ist, endigt mit 
Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch 
seine Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die Frist begonnen 
hat; fehlt dieser Tag in dem letzten Monate, so endigt die Frist mit Ablauf des letzten 
Tages dieses Monats. 
Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so 
endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. 
§. 44. Gegen die Versäumung einer Frist:) kann die Wiedereinsetzung in den 
vorigen Stand beansprucht werden, wenn der Antragsteller durch Naturereignisse oder 
andere unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist. Als 
unabwendbarer Zufall ) ist es anzusehen, wenn der Antragsteller von einer Zustellung 
ohne sein Verschulden keine Kenntniß erlangt hat. 
§. 45. Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß binnen 
einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses bei demjenigen Gerichte, bei welchem 
die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, unter Angabe und Glaubhaftmachung der 
Versäumungsgründe angebracht werden. 
Mit dem Gesuche ist zugleich die versäumte Handlung selbst nachzuholen. 
§. 46. Ueber das Gesuch entscheidet dasjenige Gericht, welches bei rechtzeitig er- 
folgter Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. 
Die dem Gesuche stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung. 
Gegen die das Gesuch verwerfende Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. 
#§. 47. Durch das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die 
Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt. 
Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen. 
  
1) Die allgemeine politische Parteistellung begründet die Besorgniß der Befangen- 
heit nicht, wenn nicht konkrete Momente dazu vorliegen, E. Crim. VII. 340. 
2:) Maßgebend ist der Zeitpunkt des Einganges in die Hände eines zur Empfang- 
nahme zuständigen Beamten, nicht etwa in einen im Gerichtsgebäude befindlichen 
Briefkasten, E. Crim. X. 74; XXII. 124. * 
2) Unabwendbarer Zufall ist nicht: jedes Verschulden des Vertheidigers, E. Crim. 
X. 74.
	        
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