Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt X. Strafprozeß. Sachverständige und Augenschein. 723 
seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine 
Beziehungen zu dem Beschuldigten oder dem Verletzten vorzulegen 7. 
§. 69. Wird das Zeugniß oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund ver- 
weigert, so ist der Zeuge in die durch die Weigerung verursachten Kosten, sowie zu 
einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht bei- 
getrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilen?). 
Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch 
nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in der Instanz, auch nicht über 
die Zeit von sechs Monaten und bei Uebertretungen nicht über die Zeit von sechs 
Wochen hinaus. 
Die Befugniß zu diesen Maßregeln steht auch dem Untersuchungsrichter, dem 
Amtsrichter im Vorverfahren, sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu. 
Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen 
Verfabren, welches dieselbe That zum Gegenstande hat, nicht wiederholt werden. 
Die Festsetzung oder die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere 
oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das 
Militärgericht. 
Siebenter Abschnitt. Sachverständige und Augenschein. 
. 72. Auf Sachverständige finden die Vorschriften des sechsten Abschnitts über 
Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen 
abweichende Bestimmungen getroffen worden sind. 
§. 73. Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung 
ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. 
Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so 
sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es 
erfordern. 
„ §. 76. Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugniß zu 
verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. 
Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur 
Erstattung des Gutachtens entbunden werden. 
Die Vernehmung eines öffentlichen Beamten als Sachverständigen findet nicht 
statt, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Bernehmung den 
dienstlichen Interessen Nachtheile bereiten würde?). 
§. 79. Der Sachverständige hat vor Erstattung des Gutachtens einen Eid 
dohin zu leisten“): 
daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen 
und Gewissen erstatten werde. 
Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art 
im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid. 
Achter Abschnitt. Beschlagnahme und Durchsuchung. 
§. 96. Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher 
Berwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf 
nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekannt- 
werden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohle des Reichs oder eines 
Bundesstaates Nachtheile bereiten würde. 
§. 98. Die Anordnung von Beschlagnahmen steht dem Richter, bei Gefahr im 
Verzuges) auch der Staatsanwaltschaft und denjenigen Polizei= und Sicherheitsbeamten 
– 
1!) Auch Personal= und Generalfragen müssen beeidet werden. Es empfiehlt sich 
zwar behufs Prüfung vor der Vereidigung die Fragen zu stellen. Sie sind aber 
hinterher zu wiederholen, E. Crim. III. 79. 
2) Die Verurtheilung zur Strafe des Abs. 1 darf nur ein Mal statifinden, auch 
wenn die Maximalhöhe nicht erreicht ist. Dagegen darf das Zwangsmittel des 
Abs. 2 von Neuem angewendet werden, bis die höchste Zeitdauer erschöpft ist. 
:) Vergl. Res. 17. Mai 1883 (J. M. Bl. S. 155) und 13. März 1884 
(J. M. Bl. S. 54). Im Falle des §. 53 bedarf es der besonderen Genehmigung. 
4) Der Eid bezieht sich hier nicht auf die Personalien, E. Crim. XII. 128; XX. 235. 
5) Ob dies der Fall, unterliegt lediglich der Prüfung der für diese Eilfälle 
berufenen Beamten, E. Crim. XXIII. 334. 46=
	        
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