724 Abschnitt X. Strafprozeß. Beschlagnahme und Durchsuchung.
zu, welche als Hülfsbeamte der Staatsanwaltschaft den Anordnungen derselben Folge
zu leisten haben.
Ist die Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung #) erfolgt, so soll der Beamte,
welcher die Beschlagnahme angeordnet hat, binnen drei Tagen die richterliche Bestäti-
gung nachsuchen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein
erwachsener Angehöriger anwesend war, oder wenn der Betroffene und im Falle
seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger desselben gegen die Beschlagnahme
ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die richterliche
Entscheidung nachsuchen. So lange die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, erfolgt
die Emscheidung durch den Amtsrichter, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattge-
funden hat.
Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwalt-
schaft oder einen Polizei- oder Sicherheitsbeamten erfolgt, so ist binnen drei Tagen
dem Richter von der Beschlagnahme Anzeige zu machen und sind demselben die in
Beschlag genommenen Gegenstände zur Verfügung zu stellen.
Beschlagnahmen in militärischen Dienstgebäuden, zu welchen auch Kriegsfahrzeuge
gehören, erfolgen durch Ersuchen der Militärbehörde, und auf Verlangen der Civil-
behörde (Richter, Staatsanwaltschaft) unter deren Mitwirkung. Des Ersuchens der
Militärbehörde bedarf es jedoch nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzu-
nehmen ist, welche in militärischen Dienstgebäuden ausschließlich von Civilpersonen
bewohnt werden.
#§. 99. Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten
Briefe und Sendungen auf der Post, sowie der an ihn gerichteten Telegramme auf
den Telegraphenanstalten; desgleichen ist zulässig an den bezeichneten Orten die Be-
schlagnahme solcher Briefe, Sendungen und Telegramme, in Betreff derer Thatsachen
vorliegen, aus welchen zu schließen ist, daß sie von dem Beschuldigten herrühren oder
für ihn bestimmt find und daß ihr Inhalt für die Untersuchung Bedeutung habe2).
§. 100. Zu der Beschlagnahme (§. 99) ist nur der Richter, bei Gefahr im
Verzuge und wenn die Untersuchung nicht bloß eine Uebertretung betcifft, auch die
Staatsanwaltschaft befugt. Die letztere muß jedoch den ihr ausgelieferten Gegenstand
sofort, und zwar Briefe und andere Postsendungen uneröffnet, dem Richter vorlegen.
Die von der Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme tritt, auch wenn sie eine
Auslieferung noch nicht zur Folge gehabt hat, außer Kraft, wenn sie nicht binnen
drei Tagen von dem Richter bestätigt wird.
Die Entscheidung über eine von der Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme,
sowie über die Eröffnung eines ausgelieferten Briefes oder einer anderen Postsendung
erfolgt durch den zuständigen Richter (§. 98).
§. 101. Von den getroffenen Maßregeln (§§. 99, 100) sind die Betheiligten
zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes geschehen kann.
Sendungen, deren Eröffnung nicht angeordnet worden, sind dem Betheiligten
sofort auszuantworten. Dasselbe gilt, soweit nach der Eröffnung die Zurückbehaltung
nicht erforderlich ist.
1) Bei präventivpolizeilichen Maßnahmen sind die Polizeibeamten an die
in der Strafprozeßordnung für polizeiliche Beschlagnahmen gegebenen Vorschriften nicht
gebunden, weil die letzteren Maßnahmen die Ermittelung einer bereits geschehenen
That im Auge haben, präventivpolizeiliche Maßnahmen aber die Ausführung einer
noch bevorstehenden Strafthat zu behindern, bezwecken. Ein Gendarm, welcher einem
Rauflustigen, um Schlägerei zu verhindern, den Stock wegnimmt, befindet sich also
in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes, auch wenn er dabei die Vorschriften der
Str. Pr. O. außer Acht läßt, Erk. R. G. 16. Nov. 1885 (E. Crim. XIII. 44).
Wenn Jemand bei Ausführung eines Forstdiebstahls oder gleich nach demselben
betroffen oder verfolgt wird, so ist jede zum Forstschutz berechtigte Person (also
auch ein beeidigter Privatforstaufseher) gemäß §. 16 Forstdiebstahlges. 15. April 1878.
verpflichtet und berechtigt, die zur Begehung des Forstdiebstahls geeigneten Werkzeuge
in Beschlag zu nehmen, welche der Thäter bei sich führt, Erk. 29. Jan. 1886;
(E. Crim. XIII. 270).
Wegen der Gendarme s. oben S. 518 Anm. 1.
2) Vergl. §. 5 Postges. 28. Okt. 1871 (N. G. Bl. S. 347); §. 8 Telegraphenges.
6. April 1892 (R. G. Bl. S. 467).