Abschnitt X. Strafprozeß. Verhaftung und vorläufige Festnahme. 727
2. wenn der Angeschuldigte ein Heimathloser oder Landstreicher oder nicht im
Stande ist, sich über seine Person auszuweisen;
3. wenn der Angeschuldigte ein Ausländer ist und gegründeter Zweifel besteht,
daß er sich auf Ladung vor Gericht stellen und dem Urtheile Folge leisten
werde.
#§. 113. Ist die That nur mit Haft oder mit Geldstrafe bedroht, so darf die
Untersuchungshaft nur wegen Verdachts der Flucht und nur dann verhängt werden,
wenn der Angeschuldigte zu den im §. 112 Nr. 2 oder 3 bezeichneten Personen ge-
hört, oder wenn derselbe unter Polizeiaussicht steht, oder wenn es sich um eine Ueber-
tretung handelt, wegen deren die Ueberweisung an die Landespolizeibehörde erkannt
werden kann.
6 8. 114. Die Verhaftung erfolgt auf Grund eines schriftlichen Haftbefehls des
Richters.
In dem Haftbefehl ist der Angeschuldigte genau zu bezeichnen und die ihm zur
Last gelegte strafbare Handlung, sowie der Grund der Verhaftung anzugeben.
Dem Angeschuldigten ist der Haftbefehl bei der Verhaftung, und wenn dies nicht
thunlich ist, spätestens am Tage nach seiner Einlieferung in das Gefängniß, nach Vor-
schrift des §. 35 bekannt zu machen und zu eröffnen, daß ihm das Rechtsmittel der
Beschwerde zustehe.
. 115. Der Verhaftete muß spätestens am Tage nach seiner Einlieferung
in das Gefängniß durch einen Richter über den Gegenstand der Beschuldigung ge-
hört werden.
§. 116. Der Verhaftete soll, soweit möglich, von Anderen gesondert und nicht
in demselben Raume mit Strafgefangenen verwahrt werden. Mit seiner Zustimmung
kann von dieser Vorschrift abgesehen werden.
Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, welche
zur Sicherung des Zweckes der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung im
Gefängnisse nothwendig find.
Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, die dem Stande und den Vermögensver-
hältnissen des Verhafteten entsprechen, darf er sich auf seine Kosten verschaffen, soweit
sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung im Gefängnisse
stören, noch die Sicherheit gefährden.
Fesseln dürfen im Gefängnisse dem Verhafteten nur dann angelegt werden, wenn
es wegen besonderer Gefährlichkeit seiner Person, namentlich zur Sicherung Anderer
erforderlich erscheint, oder wenn er einen Selbstentleibungs- oder Entweichungsversuch
gemacht oder vorbereitet hat. Bei der Hauptverhandlung soll er ungefesselt sein.
Die nach Maßgabe vorstehender Bestimmungen erforderlichen Verfügungen hat
der Richter zu treffen. Die in dringenden Fällen von anderen Beamten getroffenen
Anordnungen unterliegen der Genehmigung des Richters.
§. 117. Ein Angeschuldigter, dessen Verhaftung lediglich wegen des Verdachts
der Flucht angeordnet ist, kann gegen Sicherheitsleistung mit der Untersuchungshaft
verschont werden.
§. 118. Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung in baarem Gelde oder
in Werthpapieren oder durch Pfandbestellung oder mittels Bürgschaft geeigneter Per-
sonen zu bewirken.
Die Höhe und die Art der zu leistenden Sicherheit wird von dem Richter nach
seinem Ermessen festgesetzt.
#§. 124. Die auf die Untersuchungshaft, einschließlich der Sicherheitsleistung,
bezüglichen Entscheidungen werden von dem zuständigen Gerichte erlassen. — — —
§. 125. Auch vor Erhebung der öffentlichen Klage kann, wenn ein zur Erlassung
eines Haftbefehls berechtigender Grund vorhanden ist, vom Amtsrichter auf Antrag
der Staatsanwaltschaft oder, bei Gefahr im Verzuge, von Amtswegen ein Haftbefehl
erlassen werden.
Zur Erlassung dieses Haftbefehls und der auf die Untersuchungshaft, einschließlich
der Sicherheitsleistung, bezüglichen Entscheidungen ist jeder Amterichter befugt, in
dessen Bezirk ein Gerichtsstand für die Sache begründet ist oder der zu Verhaftende
betroffen wird.
Die Bestimmungen der §§. 114— 123 finden entsprechende Anwendung.
§. 126. Der vor Erhebung der öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl ist auf-
zuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es beantragt, oder wenn nicht binnen einer