Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

728 Abschnitt X. Strafprozeß. Verhaftung und vorläufige Festnahme. 
Woche nach Vollstreckung des Haftbefehls die öffentliche Klage erhoben und die Fort- 
dauer der Haft von dem zuständigen Richter angeordnet, auch diese Anordnung zur 
Kenntniß des Amterichters gelangt ist. " 
Wenn zur Vorbereitung und Erhebung der öffentlichen Klage die Frist von einer 
Woche nicht genügt, so kann dieselbe auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Amts- 
richter um eine Woche und, wenn es sich um ein Verbrechen oder Vergehen handelt, 
auf erneuten Antrag der Staatsanwaltschaft um fernere zwei Wochen verlängert werden. 
§. 127. Wird Jemand auf frischer That betroffen oder verfolgt, so ist, wenn 
er der Flucht verdächtig ist oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden 
kann, Jedermann befugt, ihn) auch ohne richterlichen Befehl vorläufig festzunehmen. 
Die Staatsanwaltschaft und die Polizei- und Sicherheitsbeamten sind auch dann 
zur vorläufigen Festnahme befugt 2), wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vor. 
liegen und Gefahr im Verzuge obwaltet. 
Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist die 
vorläufige Festnahme von der Stellung eines solchen Antrags nicht abhängig. 
§. 128. Der Festgenommene ist unverzüglich, sofern er nicht wieder in Freiheit 
gesetzt wird, dem Amtsrichter :) des Bezirks, in welchem die Festnahme erfolgt ist, 
vorzuführen. Der Amtsrichter hat ihn spätestens am Tage nach der Vorführung zu 
vernehmen. 
  
1) Das Recht, im Falle des §. 127 eine Person mit den Sachen, welche sie bei 
sich führt, festzunehmen, schließt das Recht in sich, auch die Sachen allein in Ver- 
wahrung zu nehmen, wenn der für festgenommen Erklärte sich der Festnahme nicht 
freiwillig unterwirft oder sich der Sachen, welche er bei sich führt, zu entäußern sucht, 
Erk. 20. März 1883 (E. Crim. VIII. 288). 
Derjenige, welcher in der irrthümlichen Meinung, einen Anderen bei Begehung 
einer strafbaren Handlung auf frischer That ertappt zu haben, zu dessen Festnahme 
auf Grund des §. 127 Str. P. O. geschritten ist und diese Festnahme dem 
Widerspruch des Festgenommenen gegenüber durch Gewalt oder Drohung aufrecht er- 
hält, macht sich, wenngleich objektiv die Festnahme unberechtigt war, dennoch weder 
der Freiheitsberaubung noch der Nöthigung schuldig, weil ihm das Bewußtsein der 
Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise fehlt, Erk. 11. Mai 1885 (E. Crim. XII. 194). 
Wegen Strafbarkeit des Widerstandes im Falle des §s. 127 Abs. 1, Erk. 19. Juni 
1890 (E. Crim. XXI. 10). 
)Zum Behuf der vorläufigen Ergreifung und Festnahme einer Person (88. 7 
und 10 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit oben S. 449), sowie zum 
Behuf der persönlichen Sistirung darf der beauftragte Beamte nicht bloß in die 
Wohnung des Sistirenden, sondern auch in eine fremde Wohnung eindringen, Erk. 
R. G. 23. März 1880 (M. Bl. S. 234). 
3) Die Organe des Polizei= und Sicherheitsdienstes haben die von ihnen vor- 
läufig festgenommenen Personen zunächst der Polizeibehörde des Aufgreifungsortes 
zuzuführen, welcher letzteren obliegt, die gesetzlich vorgeschriebene Vorführung des Fest- 
genommenen, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, in thunlichst beschleunigter 
Weise ihrerseits zu veranlassen. Die Gendarmen sind ermächtigt, in Fällen, in 
welchen der Sitz des Amtsgerichts dem Orte der Festnahme näher liegt, als der Sitz 
der Polizeibehörde des Aufgreifungsortes, auch fernerhin die Vorführung an erst- 
gedachter Stelle unmittelbar zu bewirken. 
Die Vorführung der vorläufig festgenommenen Personen ist, dem Wortlaute des 
§. 128 gemäß, dem Amterichter und nicht, wie dies der früheren Vorschrift des 
§. 4 Ges. 12. Febr. 1850 entsprach, bei den Organen der Staatsanwaltschaft zu be- 
wirken. Wird etwa in Fällen, in denen Amtsrichter und Staatsanwaltschaft ihren 
Sitz an dem gleichen Orte haben, aus Zweckmäßigkeitsgründen eine abweichende Art 
der Vorführung dahin vereinbart, daß die Vorführung vor den Amterichter durch 
Vermittelung der Staatsanwaltschaft erfolgt, so werden die betheiligten Polizeibehörden 
hiervon jedesmal besondere Nachricht erhalten, Res. 11. Juli 1881 (M. Bl. S. 184), 
mit der Ergänzung durch Res. 3. Dez. 1889 (M. Bl. S. 220). Die Kosten, welche 
durch den Seitens der Ortspolizeibehörden zu bewirkenden Trausport inhaftirter 
Personen zum Sitze des Amtsrichters erwachsen, sind als Kosten der örtlichen Polizei- 
verwaltung von der betreffenden Polizeibehörde zu tragen und demgemäß, wenn die 
letztere eine Königliche ist, aus dem im Etat von der Verwaltung des Innern aus- 
gebrachten Fonds zu bestreiten, Res. 8. Jan. 1880 (M. Bl. S. 29).
	        
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