Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

732 Abschnitt X. Strafprozeß. Voruntersuchung. 
und mit deren Vornahme eines seiner Mitglieder, den Untersuchungsrichter oder den 
Amtsrichter beauftragen. 
§. 172. Ergiebt sich kein genügender Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage 
so verwirft das Gericht den Antrag und setzt den Antragsteller, die Staatsanwaltschaf: 
und den Beschuldigten von der Verwerfung in Kenuntniß. 
Ist der Antrag verworfen, so kann die öffentliche Klage nur auf Grund neuer 
Thatsachen oder Beweismittel erhoben werden. 
§. 173. Erachtet dagegen das Gericht den Antrag für begründet, so beschließt 
es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt 
der Staatsanwaltschaft ob. 
§. 174. Dem Antragsteller kann vor der Entscheidung über den Antrag die 
Leistung einer Sicherheit für die durch das Verfahren über den Antrag und durch die 
Untersuchung der Staatskasse und dem Beschuldigten voraussichtlich erwachsenden 
Kosten durch Beschluß des Gerichts auferlegt werden. Die Sicherheitsleistung ist 
durch Hinterlegung in baarem Gelde oder in Werthpapieren zu bewirken. Die Höhe 
der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gerichte nach freiem Ermessen festgesetzt. 
Dasselbe hat zugleich eine Frist zu bestimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist. 
Wird die Sicherheit binnen der bestimmten Frist nicht geleistet, so hat das Ge. 
richt den Antrag für zurückgenommen zu erklären. 
§. 175. Die durch das Verfahren über den Antrag veranlaßten Kosten sind in 
dem Falle des §. 172 und des §. 174 Abs. 2 dem Antragsteller aufzuerlegen. 
Dritter Abschnitt. Gerichtliche Voruntersuchung. 
§. 176. Die Voruntersuchung findet in denjenigen Strafsachen statt, welche zur 
Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehören. 
In denjenigen Strafsachen, welche zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören, 
findet die Voruntersuchung statt: 
1. wenn die Staatsanwaltschaft dieselbe beantragt; 
2. wenn der Angeschuldigte dieselbe in Gemäßheit des §. 199 beantragt und er- 
hebliche Gründe geltend macht, aus denen eine Voruntersuchung zur Vorbe- 
reitung seiner Vertheidigung erforderlich erscheint. 
In den zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen ist, außer dem 
Falle “ Verbindung in Folge eines Zusammenhanges (§. 5) die Voruntersuchung 
unzulässig. 
Vierter Abschnitt. Eutscheidung über die Eröffnung des 
Hauptverfahrens. 
§. 197. Erhebt die Staatsanwaltschaft, ohne daß eine Voruntersuchung statt- 
gefunden, die Anklage, so ist die Anklageschrift mit den Akten, wenn die Sache zur 
Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, bei dem Amtsrichter, anderenfalls bei dem 
Landgerichte einzureichen. 
§. 198. Die Anklageschrift hat die dem Angeschuldigten zur Last gelegte That 
unter Hervorhebung ihrer gesetztichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes 
zu bezeichnen, sowie die Beweismittel und das Gericht, vor welchem die Hauptver- 
handlung stattfinden soll, anzugeben ). — — — 
§. 201. Das Gericht beschließt ?) die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach 
den Ergebnissen der Voruntersuchung oder, falls eine solche nicht stattgefunden hat, 
nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer strafbaren 
Handlung hinreichend verdächtig erscheint. 
§. 202. Beschließt das Gericht, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, so muß 
aus dem Beschlusse hervorgehen, ob derselbe auf thatsächlichen oder auf Rechtsgründen 
beruht. 
Hat eine Voruntersuchung stattgefunden, so ist auszusprechen, daß der Ange- 
schuldigte außer Verfolgung zu setzen sei. 
Der Beschluß ist dem Angeschuldigten bekannt zu machen. 
  
1) Es bedarf einer vollständigen Darstellung des Sachverhalts, Erk. 8. März 
1881 (E. Crim. III. 406). 
2:) Ausnahmen 8§. 211, 265, 451, 456, 462.
	        
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