Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Abschnitt X. Strafprozeß. Hauptverhandlung. 733 
§. 211. Vor dem Schöffengericht kann ohne schriftlich erhobene Anklage und 
ohne eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung 
geschritten werden, wenn der Beschuldigte entweder sich freiwillig stellt oder in Folge 
einer vorläufigen Festnahme dem Gerichte vorgeführt oder nur wegen Uebertretung 
verfolgt wird. Der wesentliche Inhalt der Anklage ist in den Fällen der freiwilligen 
Stellung oder der Vorführung in das Sitzungsprotokoll, andernfalls in die Ladung 
des Beschuldigten aufzunehmen. 
Auch kann der Amtsrichter in dem Falle der Vorführung des Beschuldigten mit 
Zustimmung der Staatsanwaltschaft ohne Zuziehung von Schöffen zur Haupt- 
verhandlung schreiten, wenn der Beschuldigte nur wegen Uebertretung verfolgt wird 
und die ihm zur Last gelegte That eingesteht. Gegen die im Laufe der Hauptver- 
handlung ergehenden Entscheidungen und Urtheile des Amtsrichters finden dieselben 
Rechtsmittel statt, wie gegen die Entscheidungen und Urtheile des Schöffengerichts. 
Fünfter Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung. 
§. 212. Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des 
Gerichts anberaumt. 
§. 213. Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen und die Herbei- 
schaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände bewirkt die Staatsanwaltschaft. 
§. 214. Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem An- 
geklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen 
§. 215. Die Ladung eines auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten geschieht 
schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine 
Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung kann in den Fällen des 
§. 231 unterbleiben. 
Die Ladung des nicht auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten erfolgt durch 
Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung in Gemäßheit des 8. 35. 
Dabei ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche Anträge er in Bezug auf seine 
Vertheidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe. 
§. 216. Zwischen der Zustellung der Ladung (§. 215) und dem Tage der 
Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer Woche liegen. 
Ist diese Frist nicht eingehalten worden, so kann der Angeklagte die Aussetzung 
der Verhandlung verlangen, so lange mit der Verlesung des Beschlusses über die Er- 
eSffnung des Hauptverfahrens nicht begonnen ist. 
§. 217. Neben dem Angeklagten ist der bestellte Vertheidiger stets, der ge- 
wählte Vertheidiger dann zu laden, wenn die erfolgte Wahl dem Gerichte angezeigt 
worden ist. 
§. 218. Verlangt der Angeklagte die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen 
oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel zur Hauptverhandlung, so hat er unter 
Angabe der Thatsachen, über welche der Beweis erhoben werden soll, seine Anträge 
bei dem Vorsitzenden des Gerichts) zu stellen. Die hierauf ergehende Verfügung ist 
ihm bekannt zu machen. 
Beweisanträge des Angeklagten sind, soweit ihnen stattgegeben ist, der Staats- 
anwaltschaft mitzutheilen. 
§. 219. Lehnt der Vorsitzende den Antrag auf Ladung einer Person ab, so kann 
der Angeklagte die letztere unmittelbar laden lassen. Hierzu ist er auch ohne vor- 
gängigen Antrag befugt. 
Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung. 
§. 225. Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur 
Unhbeilesindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Gerichts- 
schreibers. 
§. 230. Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht ent- 
sernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung 
desselben zu verhindern; auch kann er ihn während einer Unterbrechung der Ver- 
bandlung in Gewahrsam halten lassen. 
1) Gegen dessen ablehnenden Bescheid giebt es keine Beschwerde, Erk. 29. Nov. 
1379 (E. Crim. I. 106).
	        
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