734 Abschnitt XJ. Strafprozeß. Hauptverhandlung.
Entfernt der Angeklagte sich dennoch, oder bleibt er bei der Fortsetzung einer
unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende
geführt werden, wenn seine Vernehmung über die Anklage schon erfolgt war, und
das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet.
s. 231. Beim Ausbleiben des Angeklagten kann zur Hauptverhandlung ge-
schritten werden, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende That nur mit
Geldstrafe, Haft oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit einander be-
droht ist 7).
In solchen Fällen muß der Angeklagte in der Ladung auf die Zulässigkeit dieses
Verfahrens ausdrücklich hingewiesen werden.
§. 232 Abs. 1. Der Angeklagte kann auf seinen Antrag wegen großer Ent-
fernung seines Aufenthaltsorts von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Haupt-
verhandlung entbunden werden, wenn nach dem Ermessen des Gerichts voraussichtlich
keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder Geldstrafe oder Ein-
ziehung, allein oder in Verbindung mit einander zu erwarten ist.
§. 235. Das Gericht ist stets befugt, das persönliche Erscheinen des Ange-
klagten anzuordnen und dasselbe durch einen Vorführungsbefehl oder Haftbefehl zu
erzwingen.
* 237. Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und
die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.
Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer
bei der Verhandlung betheiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das
Gericht.
§. 239. Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu ge-
statten, Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu stellen?).
Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem
Vertheidiger sowie den Geschworenen und Schäöffen zu gestatten.
§. 240. Demjenigen, welcher im Falle des §. 238 Abs. 1 die Befugniß der
Vernehmung mißbraucht, kann dieselbe von dem Vorsitzenden entzogen werden.
In den Fällen des §. 238 Abs. 1 und des §. 239 Abs. 2 kann der Vorsitzende
ungeeignete oder nicht zur Sache gehörige Fragen zurückweisen.
§. 241. Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen
das Gericht.
8. 242. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruse der Zeugen und
Sachverständigen.
Hieran schließt sich die Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen
Verhältnisse und die Verlesung des Beschlusses über die Eröffnung des Haupt-
verfahrens.
1 Sodann erfolgt die weitere Vernehmung des Angeklagten nach Maßgabe des
8. 136.
Die Verlesung des Beschlusses und die Vernehmung des Angeklagten geschieht in
Abwesenheit der zu vernehmenden Zeugen.
8. 243. Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
§. 257. Nach dem Schlusse der Beweisaufnahme erhalten die Staatsanwaltschaft
und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.
Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten
gebührt das letzte Wort.
Der Angeklagte ist, auch wenn ein Vertheidiger für ihn gesprochen hat, zu be-
fragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Vertheidigung anzuführen habe.
§. 259. Die Hauptverhandlung schließt mit der Erlassung des Urtheils. Das
Urtheil kann nur auf Freisprechung, Verurtheilung oder Einstellung des Verfahrens
lauten. — — —
§. 260. Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach
einer freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung.
1) Desgleichen, wenn für den Fall der Nichtbeitreibung der Geldstrafe eine sub-
sidiäre Gesängnißstrafe erkannt wird, Rechtspr. VII. 93.
:) Nicht an den Angeklagten, E. IX. 230.
2) Im Falle der Nebenklage auch der Nebenkläger, E. Crim. XVI. 253.