Abschnitt X. Strafprozeß. Wiederaufnahme des Verfahrens. 737
5. 362. Die Staatsanwaltschaft übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft
bei dem Berufungsgerichte. Diese übergiebt die Akten binnen einer Woche dem Vor-
fitzenden des Gerichts.
§. 363. Erachtet das Berufsgericht die Bestimmungen über die Einlegung der
Berufung nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzu-
lässig verwerfen. Andernfalls entscheidet es über dasselbe durch Urtheil.
Der Beschluß kann durch sofortige Beschwerde angefochten werden.
Vierter Abschnitt. Revision.
§. 374. Die Revision findet statt gegen die Urtheile der Landgerichte und der
Schwurgerichte.
§. 375. Der Beurtheilung des Redvisionsgerichts unterliegen auch diejenigen
Entscheidungen, welche dem Urtheile vorausgegangen sind, sofern dasselbe auf ihnen
beruht.
§. 376. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urtheil auf
einer Verletzung des Gesetzes beruhe.
Das Gesetz#) ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig ange-
wendet worden ist.
Biertes Buch. Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil
geschlossenen Verfahrens.
§. 399. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen
Verfahrens zu Gunsten des Verurtheilten findet statt:
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte
Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
2. wenn durch Beeidigung eines zu seinen Ungunsten abgelegten Zeugnisses oder
abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachverständige sich einer vorsätzlichen
oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
3. wenn bei dem Urtheile ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat,
welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Verletzung seiner Amtspflichten
schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen
Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht und nicht vom
Verurtheilten selbst veranlaßt ist; ,
4. wenn ein civilgerichtliches Urtheil, auf welches das Strafurtheil gegründet ist,
durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urtheil aufgehoben ist;
5. wenn neue Thatsachen oder Beweismittel beigebracht find, welche allein oder
in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des
Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere
Bestrafung zu begründen geeignet sind.
In den vor den Schöffengerichten verhandelten Sachen können nur solche
Thatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, welche der Verurtheilte in dem
früheren Verfahren, einschließlich der Berufsinstanz, nicht gekannt hatte oder ohne
Verschulden nicht geltend machen konnte.
§. 400. Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Voll-
streckung des Urtheils nicht gehemmt.
Das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Voll-
streckung anordnen.
§. 401. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch
die erfolgte Strafvollstreckung noch durch den Tod des Verurtheilten ausgeschlossen.
Im Falle des Todes sind der Ehegatte, die Verwandten auf= und absteigender
Linie, sowie die Geschwister des Verstorbenen zu dem Antrage befugt.
1) Ges. ist hier Rechtsnorm in weitesten Sinne, Erk. 21. Febr. 1884 (E. Crim.
VI. 237); auch Gewohnheitsrecht, Erk. 5. Nov. 1883 (E. Crim. IX. 299); aus-
ländisches Recht, Erk. 21. Febr. 1884 (E. Crim. X. 285); dagegen nicht: An-
weisungen und Instruktionen, Erk. 17. Dez. 1879 (E. Crim. I. 125).
Illing-Rautz, Handbuch I, 7. Aufl. 47