Abschnitt XXXVII. Anw. zur Ausf. des Kommunalabgaben-Gesetzes. 1001
II. Vertheilung des Steuerbedarfs auf die Realsteuern und die
Einkommensteuer (88. 54, 55).
Die §§. 54, 55 enthalten die allgemeinen Vorschriften über die Vertheilung des
Steuerbedarfs auf die Gesammtheit der Realsteuern einerseins und die Staatseinkommen-
steuer andererseits. Hierbei wird angenommen, daß die Gemeindesteuern in Prozenten
der vom Staate veranlagten Einkommen= und Realstenern erhoben werden.
1. §. 54 Abs. 1 geht aus von der Belastung der Einkommensteuer mit Zu-
schlägen und bestimmt nach dieser den zu erhebenden Prozentsatz der vom Staate
veranlagten Realstenern, von welchen nach Abs. 4 mehr als 200 Prozent in der
Regel nicht erhoben werden dürfen. Geht man umgekehrt von dem zu erhebenden
Prozentsatze der Realsteuern aus, so lassen sich die Vorschriften des §. 54 wie folgt
zum Ausdruck bringen:
à) Zuschläge zur Staatseinkommensteuer dürfen in der Regel nur bei
gleichzeitiger Heranziehung der vom Staate veranlagten Realsteuern erhoben werden.
Werden Prozente der Realsteuern erhoben, so ist die Staatseinkommensteuer in
der Regel mit mindestens zwei Dritteln des Prozentsatzes und höchstens mit dem
gleichen Prozentsatze durch Zuschläge zu belasten, mit welchem die Realsteuern heran-
gezogen werden.
b) Solange nicht mehr als 100 Prozent der Realsteuern erhoben werden,
kann die Staatseinkommensteuer mit einem geringeren Prozentsatze als dem an-
gegebenen Mindestprozentsatze herangezogen oder auch von Zuschlägen gänzlich frei
gelassen werden.
Jc) Reichen 150 Prozent der Realsteuern und 150 Prozent der Staatsein-
kommensteuer zur Deckung des Steuerbedarfs nicht aus, so können für jedes weiter
erforderliche Prozent der staatlich veranlagten Realstenern 2 Prozent der Staatsein-
kommensteuer erhoben werden.
d) Werden 200 Prozent der Realstenern erhoben, so ist der Mehr-
bedarf an direkten Steuern in der Regel durch Zuschläge zur Staatseinkommensteuer
u decken ½.
Die hiernach nothwendige geringste und — für den Fall daß nicht mehr als
200 Prozent der Realsteuern ehoben werden — zulässige höchste Belastung der Ein-
kommensteuer ist aus der Anlage zu ersehen.
2. Den Gemeinden ist bei der Bestimmung des Berhältnisses, nach welchem der
Steuerbedarf durch Realsteuern und durch Einkommenstener gedeckt werden soll, ein
gewisser Spielraum gelassen. Die Bewegung innerhalb dieses Spielraumes darf aber
keine willkürliche sein, zumal dann nicht, wenn die Deckung des Bedarfs eine Be-
lastung der Einkommensteuer mit Zuschlägen von mehr als 100 Prozent erfordert, für
welche es nach §. 55 der Genehmigung bedarf.
Bei der Feststellung des Verhältnisses, nach welchem der Gemeindebedarf durch
Realsteuern und durch Einkommensteuer zu decken ist, bleibt daher zu prüfen, welche
Ausgaben der Gemeinde vorzugsweise durch Realsteuern und welche vorzugsweise
durch die Einkommensteuer aufzubringen find.
Im Allgemeinen sind folgende leitende Gesichtspunkte festzuhalten:
» a) Diejenigen Aufwendungen, welche nach ihrem Wesen und ihrer Be-
stimmung allen Gemeindeangehörigen zu Gute kommen oder durch sie veranlaßt
werden, sind vorzugsweise durch die Einkommenstener, zu decken; hierhin gehören ins-
besondere die Kosten der den Gemeinden obliegenden Erfüllung allgemeiner staatlicher
Zwecke, wie die Aufwendungen für das Volksschul- und Armenwesen, für die öffentliche
Sicherheit, die Gesundheitspflege u. s. w., ferner die allgemeinen Verwaltungskosten
der Gemeinden u. s. w.
b) Aufwendungen, die 2) ansschließlich oder doch ganz überwiegend dem
Grundbesitz und Gemeindebetrieb zum Vortheil gereichen, wie die Anlegung und
Unterhaltung von Wegen, Ent= und Bewässerungsanlagen, welche nur oder vorzugs-
weise dem Grundbesitz oder dem Gewerbebetrieb dienen, sind lediglich durch Real-
steuern aufzubringen.
c) Die im allgemeinen Interesse gemachten Aufwendungen, aus denen
1) Vergl. Res. 2. Mai 1895 (M. Bl. S. 119).
?*) Und insoweit sie.