1002 Abschnitt XXXVII. Anw. zur Ausf. des Kommunalabgaben-Gesetzes.
zugleich den Grundbesitzern und Gewerbetreibenden besondere Vortheile erwachsen,
find auf die Realsteuern und die Einkommensteuer nach billigem Ermessen zu ver-
theilen; es gilt dies namentlich von den Kosten für die Unterhaltung der öffentlichen
Straßen, der Kaualisations= und Wasserleitungsanlagen, des Beleuchtungs-- und
Feuerlöschwesens. «
d) Die vorstehenden allgemeinen Gesichtspunkte bilden nicht die ausschließ-
liche Richtschnur für die Vertheilung des Steuerbedarfs. Beispielsweise würde einer
starken 1) Verschuldung des Grundbesitzes oder einer besonders ungünstigen Lage des
Gewerbebetriebes durch entsprechende niedrigere Bemessung des Prozentsatzes der
Realsteuerbelastung Rechnung getragen werden können; andererseits würde es dort,
wo die ausschließliche Aufbringung des gesammten Steuerbedarfs durch Realsteuern
herkömmlich ist und die Verhältnisse der Stenerpflichtigen gleichartige sind, bei diesem
Herkommen belassen werden dürfen?2).
Im Uebrigen ist nicht außer Acht zu lassen, daß eine Belastung der Staats-
Einkommeunsteuer mit Gemeindezuschlägen über das gerechtfertigte Maß hinaus um
so weniger zugelassen werden kann, als die Staats- Einkommensteuer nach ihrer jetzigen
Gestaltung eine solche Belastung nicht zu ertragen vermag. Um gegenüber den
früheren upänden eine entsprechend schärfere kommunale Belastung der Realsteuern
zu ermöglichen, hat der Staat auf die Realsteuern gänzlich verzichtet und diese Steuer-
quelle ausschließlich den Gemeinden überlassen.
Auch bleibt zu berücksichtigen, daß durch diesen Verzicht zahlreiche Steuerpflichtige
eine solche Erleichterung erhalten haben, daß ihre schärfere Heranziehung zu den
kommunalen Realsteuern in nicht seltenen Fällen schon aus diesem Grunde für un-
billig nicht zu erachten ist. ·
3. Nach §. 55 bedürfen Zuschläge über den vollen Satz der Staats-Einkommen-
stener der Genehmigung. Abweichungen von den Vorschriften im §. 54 find nur
ous besonderen Gründen gestattet und bedürfen gleichfalls der Genehmigung.
à) Vorschrifsten im Sinne des §F. 54 find nur solche, in welchen das Gesetz
eine Anordnung als Regel bezeichnet, nicht aber diejenigen Bestimmungen, welche den
Gemeinden nur eine Ermächtigung ertheilen.
Es würde somit keine Abweichung bedeuten, falls eine Gemeinde von der ihr
im Abs. 3 eingeräumten Befugniß, von dem Mehrbetrage für jedes Prozent der
staatlich veranlagten Realsteuern 2 Prozent der Einkommensteuer zu erheben, keinen
Gebrauch macht. Dagegen würde eine Abweichung vorliegen, wenn unter den im
Abs. 3 bezeichneten Boraussetzungen für jedes Prozent der Raatlich veranlagten Real-
steuern mehr als 2 Prozent der Einkommensteuer erhoben werden sollen.
b) Bei Beurtheilung der Zulässigkeit einer Abweichung ist davon auszu-
gehen, daß Aufwendungen der Gemeinde, welche in überwiegendem Maße dem Grund-
besitze und dem Gewerbebetriebe zum Vortheile gereichen, insoweit in der Regel durch
Realsteuern gedeckt werden sollen, sofern die Ausgleichung nicht nach §§. 4, 9, 10
oder 20 erfsolgt. Zu solchen Aufwendungen gehören namentlich die Ausgaben für
den Bau und die Unterhaltung von Straßen und Wegen, für Ent= und Bewässerungs-
aulagen, sowie für die Verzinsung und Tilgung der zu derartigen Zwecken auf-
genommenen Schulden. »
Der Umstand, daß das Gesetz nur diejenige Abweichung bezeichnet, welche eine
schärfere Heranziehung der Realsteuern darstellt, schließt die Zulässigkeit einer Ab-
weichung nach der entgegengesetzten Richtung nicht aus. Eine Abweichung in dem
letzteren Sinne würde beispielsweise daunn begründet sein können, wenn der Steuer-
bedarf einer Gemeinde in stark überwiegendem Maße durch die Kosten für die der
Gemeinde obliegende- Erfüllung allgemeiner staatlicher Zwecke auf dem Gebiete des
Volksschul-= und Armenwesens, der öffentlichen Sicherheit, Gesundheitspflege u. s. w.
hervorgerufen wird.
Tc) Die Gesichtspunkte, nach welchem der Steuerbedarf innerhalb der
Grenzen des §. 54 zu vertheilen ist, sollen auch dann maßgebend bleiben, wenn solches
innerhalb dieser Grenzen nicht ausführbar und nur durch eine Abweichung zu er-
möglichen ist.
1) Vergl. Res. 15. April 1895 (M. Bl. S. 118).
2) Bergl. Res. 18. März 1895 (M. Bl. S. 118) und 24. Jan. 1895 (Pr. B.
Bl. XVI. 295). 4