Abschnitt XXXVII. Anw. zur Ausf. des Kommunalabgaben-Gesetzes. 1009
Anordnungen (8. 78).
Art. 47. 1. Bestehen bei dem Inkrafttreten des Gesetzes in einzelnen Ge-
meinden Ordnungen (Regulative, Statuten, Beschlüfse, Observanzen rc.) über die Auf-
bringung von Gebühren, Beiträgen, indirekten, direkten Steuern oder Diensten, welche
den Vorschriften des Gesetzes zuwiderlaufen, so ist die Anfsichtsbehörde befugt, deren
Abänderung oder Ergänzung unter Angabe der Gründe anzuordnen.
2. Jedenfalls bleiben die zu Nr. 1 bezeichneten Ordnungen mit den sich aus
§s. 96 Abs. 4 ergebenden Einschränkungen bis zur Aufhebung durch rechtsgültigen
Gemeindebeschluß oder Anordnung der Aufsichtsbehörde in Kraft.
Hiermit ist den Gemeinden einerseits die Rechtssicherheit gewährleistet, anderer-
seits — soweit die Aufssichtsbehörde von ihrer Befugniß (Nr. 1) keinen Gebrauch
macht — eine sich über den 1. April 1895 hinaus erstreckende Frist gegeben, um die
Uebereinstimmung mit dem Gesetze herzustellen (vergl. Art. 62).
3. Die Aufsichtsbehörde — bei Stadtgemeinden der Regierungspräsident, bei
Landgemeinden der Landrath als Vorsitzender des Kreisausschusses (§8. 7, 24 des
Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883) — kann zwar
von der Befugniß (Nr. 1) erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Gebrauch machen.
Hierdurch werden aber die Gemeinden nicht von der Verpflichtung entbunden,
ihrerseits schon vorher in eine Prüfung der Ordnungen einzutreten und das bestehende
örtliche Recht, soweit als erforderlich, thunlichst bald in Uebereinstimmung mit den
Vorschriften des Gesetzes zu bringen (vergl. Art. 62).
Ebensowenig sind die Aussichtsbehörden behindert, schon vor dem 1. April 1895
in eine Prüfung der Ordnungen einzutreten und auf die Gemeinden nach der be-
zeichneten Richtung hin einzuwirken (vergl. hierüber die Uebergangsbestimmungen).
4. Die Befugniß (Nr. 1) erstreckt sich uur auf die Vorschriften des Gesetzes,
nicht auch auf Besteuerungsgrundsätze, die sich etwa aus der einen oder anderen Be-
stimmung durch Folgerungen ergeben.
Sie bezieht sich aber auch auf künftige Gemeindebeschlüsse, welche den Vorschriften
des Gesetzes zuwiderlausen, sowie unter bestimmten, im Gesetze näher bezeichneten
Voraussetzungen auf solche Ordnungen, durch welche die Besteuerung nach Abstufungen
des Grundbesitzes geregelt ist. Als Gemeindebeschlüsse können hierbei nur solche in
Betracht kommen, für welche eine Genehmigung nicht erforderlich ist. Hinsichtlich
der übrigen dient die Versagung der Genehmigung dazu, um zu verhindern, daß die
Aufbringung von Gebühren u. s. w. in Widerspruch mit den Vorschriften des Ge-
setzes erfolge.
5. Die Einführung neuer und die Erhöhung bestehender indirekter Steuern darf
nicht angeordnet werden. Im Uebrigen muß grundsätzlich daran festgehalten werden,
daß die Befugniß (Nr. 1) sich lediglich auf die Herstellung eines den Vorschriften des
Gesetzes entsprechenden Zustandes erstreckt. Dagegen darf die Zulassung des Ein-
schretens aus einem im Gesetze bestimmten Anlasse nicht dazu führen, auf Gebiete
hinüber zu greifen, die, wenn auch nach der Auffassung der Aufsichtsbehörde einer
liderweitigen Regelung bedürftig, doch der Beschlußfassung der Gemeinde über-
en fsind.
6. Gegen die Anordnung findet innerbalb vier Wochen nach Ablauf der ge-
stellten Frist die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt, für Landgemeinden bei
dem Bezirksausschusse, für Stadtgemeinden bei dem Oberverwaltungsgerichte. Es be-
darf somit in allen Fällen der Bestimmung einer Frist, innerhalb deren die Ge-
meinden der Anordnung zu entsprechen haben; auch dann, wenn nach den vorher-
gegangenen Verhandlungen angenommen werden darf, daß die Gemeinde der An-
ordnung nicht entsprechen werde. Die Frist ist stets so geräumig zu bemessen, daß
der Anordnung innerhalb derselben entsprochen werden kann.
7. Wird die Klage innerhalb der gestellten Frist nicht erhoben, so ist die Auf-
sichtsbehörde befugt, die in Ansehung der Aufbringung der Gebühren u. s. w.
ersorderliche Ordnung auf Grundlage der erlassenen Verfügung selbst festzustellen.
Das Gleiche gilt für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der Klage. Damit
ledem Zweifel darüber vorgebeugt werde, ob die getroffene Ordnung und die erlassene
Verfügung sich inhaltlich decken, ist die Verfügung thunlichst so vollständig zu er-
Illing-Kaur, Sandbuch II, 7. Aufl. 64