Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

1040 Abschnitt XXXVIII. Kreis-Ordnung für die östlichen Provinzen. 
Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung solcher Aemter berechtigen 
folgende Entschuldigungsgründe: 
1. anhaltende Krankheit; 
2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesenheit vom Wohn— 
orte mit sich bringen; 
das Alter von 60 Jahren; 
die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes; 
sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen des Kreis- 
tages eine endgültige Entschuldigung begründen. 
Beträgt die Amtsdauer mehr als drei Jahre, so kann das Amt nach 
Ablauf von drei Jahren niedergelegt werden. 
Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung des 
Kreises während der vorgeschriebenen regelmäßigen Amtsdauer versehen hat, 
kann die Uebernahme desselben oder eines gleichartigen 1) für die nächsten drei 
Jahre ablehnen. 
Wer sich ohne einen der vorbezeichneten Entschuldigungsgründe weigert, 
ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung des Kreises zu über- 
nehmen:) oder das übernommene Amt drei Jahre hindurch zu versehen, sowie 
derjenige, welcher sich der Verwaltung solcher Aemter trotz vorhergegangener 
Aufforderungs) Seitens des Kreisausschusses thatsächlich entzieht !), kann durch 
Beschluß des Kreistages für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren der Aus- 
übung seines Rechtes auf Theilnahme an der Vertretung) und Verwaltung des 
St 
  
Zu Anmerkung 5 auf S. 1039. 
gegen nicht das Amt eines ernannten Mitgliedes einer Voreinschätzungskommission. 
Ist letzteres Einwohner eines Gutsbezirkes, so ist seine Bestrafung wegen Ablehnung 
gesetzlich überhaupt nicht gegeben. Anderen Falles handelt es sich um ein Gemeinde- 
amt, Erk. 30. Sept. 1892 (E. O. V. XXIII. 1). Auf Gutsvorsteher findet der 
§. 8 nicht Anwendung, sondern 85. 31 ff.; es ist also auch das in §. 8 alinea 5 
vorgeschriebene Strafverfahren gegen Gutsvorsteher nicht zulässig, Erk. 29. März 1879 
(E. O. B. V. 110). 
Ein unmittelbarer Staatsbeamter bedarf nicht der Genehmigung seiner vorgesetzten 
Behörde zur Uebernahme eines Mandats als Kreistags-Abgeordneter, er hat ihr aber 
von der Anberaumung einer jeden Kreistagssitzung Anzeige zu erstatten, beziehungs- 
weise Behufs Theilnahme an derselben Urlaub nachzusuchen, Res. 24. Novbr. 1873 
(M. Bl. 1874 S. 94) und 25. Mai 1893 (M. Bl. S. 120). 
Nach dem Regierungsentwurf von 1869 sollte auch ärztliche oder wundärztliche 
Praxis als Entschuldigungsgrund gelten. Man strich denselben, weil beispielsweise 
eine auf die Kreisstadt beschränkte Proxis einen Exkusationsgrund nicht abgeben könne 
und für den Fall einer Praxis, welche die Uebernahme eines Amtes in der Kreis- 
Verwaltung oder Vertretung unmöglich mache, der §. 8 Nr. 5 Aushülfe gewähre, 
Sten. Ber. des Abg. H. 1872 (B. III. S. 1315). 
1) D. h. eines Amtes, welches deuselben Umfang von Wirksamkeit, Leistung und 
Zeit erfordert. Die dreijährige Funktion als Stellvertreter liberirt also nicht von der 
Annahme des Amtes eines Kreisausschußmitgliedes oder Amtsvorstehers, Sten. B. 1869 
S. 415 und 421, pro 1872 S. 1316 und Erk. O. V. G. 15. Dez. 1894 (Pr. B. Bl. 
XVI. 222.) 
2) Gemäß E. O. V. XII. 6 muß die bestimmte Willensäußerung der zur Ueber- 
tragung des Amtes berufene Stelle vorliegen, dem Kreisangehörigen das Amt zu 
übertragen. Beantragt z. B. Jemand beim Kreistage, ihn nicht in die Amtsvorsteher- 
vorschlagsliste aufzunehmen, so ist das noch keine unter Strafe gestellte Weigerung. 
:) Es werden hier zwei Fälle unterschieden, die ausdrückliche Weigerung, ein 
Ehrenamt zu übernehmen und der Fall, wo sich Jemand thatsächlich der Uebernahme 
entzieht. In diesem letzteren Fall soll ausdrücklich constatirt werden, daß die Unter- 
lassung nicht bloß eine Folge der Behinderung ist und deshalb soll die Aufforderung 
des Kreisausschusses der Bestrafung vorangehen, Sten. Ber. 1872 S. 1317. 
4) Und zwar ebenfalls ohne Entschuldigungsgründe, Erk. O. V. G. 25. Jan. 1895 
Nr. I. 114. 
5) Darunter ist nicht nur das passive, sondern auch das aktive Wahlrecht zu 
verstehen, Res. 11. März 1874 (M. Bl. S. 99).
	        
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