Abschnitt XXXIX. Landesverwaltungs-Gesetz. 1129
Er kann einem Mitgliede des Gerichts gestatten, das Fragerecht auszuüben.
Eine Frage ist zu stellen, wenn das Gericht diese für angemessen erachtet.
G 72. Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung des
erichts#).
Die Oeffentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkündigenden Beschluß
ausgeschlossen werden, wenn das Gericht dies aus Gründen des öffentlichen
Wohls oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet.
Der Vorsitzende kann aus der öffentlichen Sitzung jeden Zuhörer entfernen
lassen, der Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens giebt oder Störung irgend
einer Art verursacht.
Parteien, Zeugen, Sachverständige, welche den zur Aufrechterhaltung der
Ordnung erlassenen Befehlen des Vorsitzenden nicht gehorchen, können auf Be-
schluß des Gerichts aus dem Sitzungszimmer entfernt werden. Gegen die bei
der Verhandlung betheiligten Personen wird sodann in gleicher Weise verfahren,
wie wenn sie sich freiwillig entfernt hätten.
§. 73. Die Parteien sind in der Wahl der von ihnen zu bestellenden
Bevollmächtigten nicht beschränkt.
Das Gericht kann Vertreter, welche, ohne Rechtsanwälte zu sein, die Ver-
tretung vor dem Gerichte geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine Anfech-
tung dieser Anordnung findet nicht statt ?.
Gemeindevorsteher, welche als solche legitimirt sind, bedürfen zur Vertre-
tung ihrer Gemeinden einer besonderen Vollmacht nicht?).
§. 74%. Liegt einer öffentlichen Behörde als Partei die Wahrnehmung
des öffentlichen Interesses ob, so kann auf deren Antrag der Regierungspräsident
für die mündliche Verhandlung vor den Be irksausschusse, und der Ressort-
minister für die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgerichte einen
Kommissar zur Vertretung der Behörde bestellen.
Der Regierungspräfident beziehungsweise der Ressortminister kann in ge-
eigneten Fällen auch ohne Antrag einer Partei einen besonderen Kommifar
zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses für die mündliche Verhandlung
bestellen. Der Kommissar ist vor Erlaß des Endurtheils mit seinen Aus-
führungen und Anträgen zu hören, zur Einlegung von Rechtsmitteln aber
nicht befugt.
Der Vorsitzende des Kreis-(Stadt-) Ausschusses beziehungsweise des Bezirks-
ausschusses und der Ressortminister hat behufs der erforderlichen Wahrnehmung
des öffentlichen Interesses einen Kommissar zu bestellen, wenn das Gesetz die
öffentliche Behörde, welche die Rolle des Klägers oder des Beklagten wahrzu-
nehmen hat, nicht bezeichnet.
§. 75. Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines ver-
eidigten Protollführerss). Das Protokoll muß die wesentlichen Vergänge der
1) Die Oeffentlichkeit findet im Disziplinarverfahren nicht statt, vergl. §. 157
Nr. 2 des Ges. und §. 35 Disziplinarges. 21. Juli 1852.
2) Vertreter können nicht nur an Stelle, sondern auch neben der Partei erscheinen,
E. O. B. VII. 394.
3) Die Ausstellung von Vollmachten für Rechtsanwälte kann ebenfalls durch den
Gemeindevorsteher allein erfolgen, Erk. O. V. G. 6. Dez. 1884 Nr. 1 1238.
4) Der Kommissar ist in Fällen der Abs. 1 und 2 nur Bertreter für die
mündliche Verhan dlung und zur Einlegung von Rechtsmitteln nicht legitimirt, E.
O. V. VIII. 426 und Verfügung des O. V. G. 26. Sept. 1876 (I. 435 und
325). Im Falle des Abs. 3 tritt der Kommissar an die Stelle der Partei mit der
Befugniß zur Empfangnahme der Entscheidungen und zur Einlegung von Rechts-
mitteln, Erk. O. V. G. 17. Mai 1883 Nr. II. 415. Vergl. E. O. V. XXlI. 390,
XXVII. 292, 355.
*) Eine ohne Zuziehung eines Protokollführes ausgenommene Verhandlung darf
der Richter im Verwaltungsstreitverfahren seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen,
E. O. V. VI. 393. Der Protokollführer braucht nicht als solcher, sondern nur als
Beamter vereidigt zu sein, Erk. O. V. G. 11. Jan 1888 Nr. I. 37.