108 Abschnitt XXXIII. R. Gew. Ordn. Gewerbliche Arbeiter.
Die Bedürfnißanstalten müssen so eingerichtet sein, daß sie für die Zahl
der Arbeiter ausreichen, daß den Anforderungen der Gesundheitspflege entsprochen
wird und daß ihre Benutzung ohne Verletzung von Sitte und Anstand er-
folgen kann.
§. 120c. Gewerbeunternehmer, welche Arbeiter unter achtzehn Jahren be-
schäftigen, sind verpflichtet, bei der Einrichtung der Betriebsstätte und bei der
Regelung des Betriebes diejenigen besonderen Rücksichten auf Gesundheit und
Sittlichkeit zu nehmen, welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten sind.
§. 120 4. Die zuständigen Polizeibehörden sind befugt, im Wege der
Verfügung für einzelne Anlagen die Ausführung derjenigen Maßnahmen an-
zuordnen, welche zur Durchführung der in §§. 120 a bis 120c enthaltenen
Grundsätze erforderlich und nach der Beschaffenheit der Anlage ausführbar er-
scheinen"). Sie können anordnen, daß den Arbeitern zur Einnahme von Mahl-
eiten außerhalb der Arbeitsräume angemessene, in der kalten Jahreszeit geheizte
Ränme unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Soweit die angeordneten Maßregeln nicht die Beseitigung einer dringenden,
das Leben oder die Gesundheit bedrohenden Gefahr bezwecken, muß für die Aus-
führung eine angemessene Frist gelassen werden.
Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden Anlagen gegenüber können,
so lange nicht eine Erweiterung oder ein Umbau eintritt, nur Anforderungen
gestellt werden, welche zur Beseitigung erheblicher, das Leben, die Gesundheit
oder die Sittlichkeit der Arbeiter gefährdender Mißstände erforderlich oder ohne
unverhältnißmäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen.
Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbeunternehmer
binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde zu.
Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen vier Wochen
die Beschwerde an die Centralbehörde zulässig; diese entscheidet endgültig. Wider-
spricht die Verfügung den von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen
Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist zur Einlegung der vorstehend
bezeichneten Rechtsmittel binnen der dem Gewerbeunternehmer zustehenden Frist
auch der Vorstand der Berufsgenossenschaft befugt. 4
§. 120e. Durch Beschluß des Bundesraths können Vorschriften darüber
erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von Anlagen zur
Durchführung der in den 8§. 120 a bis 1200 enthaltenen Grundsätze zu ge-
nügen ist?). Z
Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesraths nicht erlassen
sind, können dieselben durch Anordnung der Landes-Centralbehörden oder durch
Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher berechtigten Behörden erlassen werden.
Vor dem Erlaß solcher Anordnungen und Polizeiverordnungen ist den Vor-
ständen der betheiligten Berufsgenossenschaften oder Berufsgenossenschafts-
Sektionen Gelegenheit zu einer gutachtlichen Aeußerung zu geben. Auf diese
finden die Bestimmungen des §. 79 Abs. 1 des Gesetzes, betreffend die Unfall-
versicherung der Arbeiter, vom 9. Juli 1884 (R. G. Bl. S. 69) Anwendung.
Durch Beschluß des Bundesraths können für solche Gewerbe, in welchen
durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter
gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit
1) Vergl. Ausf. Anw. 26. Febr. 1892 Abschn. 0PG.
„) Bek. 8. Juli 1893 (R. G. Bl. S. 209), betr. Einrichtung und Betrieb von
Aulagen zur Aufertigung von Zündhölzern unter Berwendung von weißem Phosphor;
8. Juli 1893 (R. G. Bl. S. 213), betr. Einrichtung und Betrieb von Bleifarben=
und Bleizuckerfabriken; 8. Juli 1893 (R. G. Bl. S. 218) (vergl. Res. 20 Sept.
1888, M. Bl. S. 189), betr. Einrichtung und Betrieb der zur Anfertigung von
Cigarren bestimmten Anlagen; 31. Juli 1897 (R. G. Bl. S. 614), betr. Einrich-
tung und Betrieb der Buchdruckereien und Schriftgießereien. Vergl. auch Res. 18. Mai
1889 (M. Bl. S. 77), betr. Einrichtung und Berrieb der Oreckfilberspiegelbelege-
anstalten und dazu Res. 22. Aug. 1893 (M. Bl. S. 270), desgl. Res. 14. Febr.
1894 (M. Bl. S. 30), betr. Anforderungen bei Eimichtung der Arbeitsräume in
Spinnereien; hierzu Res. 24. Nov. 1894 (M. Bl. S. 219), betr. Sicherung der in
Spinnereien beschäftigten Arbeiter gegen Feuersgefahr.