Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXIX. Landesverwaltungs-Gesetz. 1137 
5. Schlußbestimmungen für das Verwaltungsstreitverfahren. 
§. 110. Auf Beschwerden, welche die Leitung des Verfahrens bei den 
Kreis= und Bezirksausschüssen zum Gegenstand haben, entscheidet das im 
Instanzenzuge zunächst höhere Gericht endgiltig. 
§. 111. Alle Beschwerden sind innerhalb der für dieselben vorgeschriebenen 
Frist bei dem Gerichte, gegen dessen Entscheidung sie gerichtet sind, einzulegen. 
Das Gericht verfährt bei Versäumung der vorgeschriebenen Frist nach 
Bestimmung des Schlußabsatzes des §S. 86. 
Für das angerufene Gericht kommt §. 64 zur Anwendung, an die Stelle 
des Antrages auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung beziehungsweise 
ver ahmkegung des Rechtsmittels tritt der Antrag auf Entscheidung durch das 
ericht. 
Wird die Beschwerde der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider innerhalb 
der gesetzlichen Frist bei demjenigen Gericht angebracht, welches zur Ent- 
scheidung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. Die Beschwerde 
ist in solchen Fällen von dem angerufenen Gerichte zur weiteren Veranlassung 
an dasjenige Gericht abzugeben, gegen dessen Beschluß sie gerichtet ist. 
§. 112. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann beantragen, 
wer durch Naturereignisse oder andere unabweisbare Zufälle verhindert worden 
ist, die in dem gegenwärtigen Gesetze oder die in den Gesetzen für Anstellung 
der Klage beziehungsweise für den Antrag auf mündliche Verhandlung im 
Verwaltungsstreitverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten 2). Als unab- 
wendbarer Zufall ist es anzusehen, wenn der Antragsteller von einer Zustellung 
ohne sein Verschulden keine Kenntniß erlangt hats). Ueber den Antrag ent- 
scheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die versäumte Streithandlung 
zusteht!). Die versäumte Streithandlung ist, unter Anführung der That- 
sachen, mittelst deren der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet werden soll, 
sowie der Beweismittel, innerhalb zwei Wochen nachzuholen; der Lauf dieser 
Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, mit welchem das Hinderniß gehoben 
ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an ge- 
rechnet findet die Nachholung der versäumten Streithandlung beziehungsweise 
der Antrag auf Wiedereinsetzung nicht mehr statt. Die durch Erörterung des 
Antrags auf Wiedereinsetzung entstehenden baaren Auslagen trägt in allen 
Fällen der Antragsteller. 
S§. 113. Die Central= und die Provinzialverwaltungsbehörden sind auch 
für die im Verwaltungsstreitverfahren ) zu verhandelnden Angelegenheiten zur 
Erhebung des Kompetenzkonflikts befugt. 
Die Erhebung des Kompetenzkonsktits auf Grund der Behauptung, daß 
1) Beweisresolute sind keine das Streitverfahren leitende Berfügungen; die Be- 
schwerde findet daher gegen solche Beschlüsse nicht statt, E. O. B. I. 445. 
2) Ein Rechtsirrthum genügt nicht, E. O. V. IX. 432, XIV. 190, XXII. 175. 
Auf die Berufung in Streitsachen der Armenverbände, sowie im Disziplinar- 
rsahren findet §. 112 keine Anwendung, §. 157,2 und 3 des Ges. und E. O. V. 
432. 
3) Z. B. durch ein Versehen der Post bei Bestellung von Briefen, Erk. O. B. G. 
7. Juni 1886 (Pr. B. Bl. VIII. 80), 27. Okt. 1888 (Pr. V. Bl. X. 202); die 
Fristversäumniß eines Vertreters ist nicht ohne Weiteres ein unabwendbarer Zufall 
für die Partei, E. O. V. XXV. 433; ein solcher liegt auch nicht vor, wenn ein an 
unzuständiger Stelle eingereichter Schriftsatz von dieser nicht rechtzeitig an die zu- 
bandis- Behörde abgegeben wird, Erk O. B. G. 24. Nov. 1894 (Pr. B. Bl. 
I 335). 
1) Die Wiedereinsetzung ist weder an die für das versäumte Rechtsmittel im 
Streiwerfahren gezogenen Schranken gebunden, noch setzt sie eine bestimmte Form 
voraus und muß daher nicht nothwendig ausdrücklich erfolgen. Die einmal erfolgte 
Wiedereinsetzung schließt den Einwand der Fristversäumniß im Streitverfahren aus, 
E. O. BV. XXI. 244. # 
5, Vergl. Vd. 1. Aug. 1879, betr. die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten 
und Verwaliungsbehörden in Bd. I S. 1442. 
Illing-Kautz, Handbuch II. 7. Aufl. 72
	        
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