Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XL. Schulen. Aufsicht. 1211 
K 10. Niemandem soll wegen Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses 
der Zutritt in öffentlichen Schulen versagt) werden. 
§. 11. Kinder, die in einer andern Religion, als welche in der öffent- 
lichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staats erzogen werden 
sollen, können, dem Religionsunterrichte:) in derselben beizuwohnen, nicht an- 
gehalten werden. 
I. Von gemeinen Schulen. Aufsicht und Direktion derselben. 
§. 12. Gemeine Schulen, die dem ersten Unterrichte der Jugend gewidmet 
find, stehen unter der Direktion der Gerichtsobrigkeit?) eines jeden Orts, welche 
1) Res. 12. Sept. 1873 (C. Bl. U. B. S. 684): Dem in N. wohnenden 
Wirth N. kann deshalb, weil er katholisch ist, nicht verwehrt werden, seine Kinder in 
die evangelische Ortsschule zu schicken. Der gleiche Grundsatz gilt auch von aus- 
wärtigen Schulen, vergl. Res. 29. Nov. 1862 (M. Bl. 1863 S. 5). 
2) Bergl. Res. 18. Febr. 1876 (C. Bl. U. B. S. 120), betr. den katholischen 
Religionsunterricht in den Bolksschulen. 
Durch Res. 8. Sept. 1879 (C. Bl. U. V. S. 503) ist der Grundsatz aus- 
gesprochen, daß die Bestimmungen über Art, Maß und Umfang der kirchlichen Be- 
theiligung an der Pflege der Schule Sache des Staates sein und bleiben muß. 
Das Amt eines Religionslehrers an einer öffentlichen Schule ist weder ein 
kirchliches, noch ein Amt in einer der christlichen Kirchen, sondern ein Staatsamt, 
sei es ein unmittelbares, sei es ein mittelbares. Die Ertheilung des Religions= 
unterrichtes in den öffentlichen Schulen ist nicht als ein Ausfluß des geistlichen 
Amtes aufzufassen, denn die Berechtigung zur Ertheilung des Religions-Unterrichtes 
entspringt lediglich aus der Uebertragung des Amtes Seitens des Staates. Ein 
Geistlicher, welcher den Religionsunterricht in der öffentlichen Bolkeschule ertheilt, übt 
— wenigstens im Gebiet des Allg. Landrechts — ein öffentliches Amt aus und 
handelt mithin dem §. 132 Str. G. B., betr. die unbefugte Ausübung eines öffent- 
lichen Amtes, zuwider, wenn er sich unbefugt mit der Ertheilung jenes Unterrichts 
befaßt, Erk. O. Trib. 12. Okt. 1874 (C. Bl. U. V. 1875 S. 12) und Res. 
21. Dez. 1874 (ebend. 1875 S. 20) und 6. Jan. 1876 (ebend. S. 154). 
2) D. i. die Gutsherrschaft des Schulortes. Durch Aufhebung der Privat- 
Gerichtsbarkeit durch Bd. 2. Jan 1849 (G. S. S. 1) und der gutsherrlichen 
Polizei durch Kr. O. §. 46 find die sonstigen gutsherrlichen Rechte und Pflichten, 
namentlich der Schule gegenüber, nicht berührt worden, E. O. O. X. 126. Die 
Befugnisse der Gutsherren in Beziehung auf Aufsicht und Direktion der Schulen 
find nach den Bestimmungen der Instr. 26. Juni 1811 (v. Rönne, Unterrichtswesen 
S. 333 ff.) für die flädtischen Schuldeputationen, bezw. 28. Okt. 1812 (das. S. 321 ff.) 
für Schulvorstände auf dem Lande zu beurtheilen, Res. 16. Nov. 1865 und 14. Juli 
1866 (M. Bl. 1866 S. 5, 158). 
Die Schulvorstände fsind befugt, die Schulgemeinde in ihren Angelegenheiten 
nach außen hin zu vertreten und bedarf es zu ihrer Legitimation bei Prozessen, außer 
der Prozeßautorisation, nur eines Attestes der Regierung, daß die betreffenden 
Personen wirklich den Vorstand der betreffenden Schule bilden, Res. 22. Aug. 1863 
(M. Bl. S. 190). 
Der Schulvorstand ist Bertreter der einzelnen Schule als Unterrichtsanstalt. 
Er ist weder Vorsteher, noch auch Vertreter der Schulgemeinde als solcher. Der 
Borfitzende hat daher weder die Pflicht, noch das Recht, die Schulgemeinde aus 
eigener Machtvollkommenhbeit einzuberufen und zu bindenden Beschlüssen zu veranlassen. 
Wo sich in dieser Beziehung nicht eine besondere Observanz gebildet hat, ist es 
vielmehr Sache der Königl. Regierung als Aufsichtsbehörde, von Fall zu Fall zu 
bestimmen, welches ihrer Organe mit den Verhandlungen mit der Schulgemeinde zu 
befassen ist. Hiermit den Borsitzenden des Schulvorstandes zu betrauen, wird aus 
naheliegenden Gründen in den meisten Fällen, in denen es sich um äußere Angelegen- 
heiten des Schulwesens handelt, sich nicht empfehlen. Ihm fehlt es an den nöthigen 
Organen für die Einberufung und auch wohl oft an dem autoritativen Einflusse, 
die erforderlichen Entschließungen der Schulgemeinde mit dem nöthigen Nachdruck 
zu betreiben. Dies wird sich sachgemäß in den meisten Fällen nur durch Inauspruch- 
 
	        
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