Abschnitt XL. Reglement für die Volksschulen. 1243
zu können, für die Mittelstufe diejenige, ganze Sprachstücke in gebundener und un-
gebundener Rede, in deutscher und lateinischer Schrift ohne Anstoß und finnrichtig zu
lesen, ein einfaches Diktat richtig aufzuschreiben und ein nach Form und Inhalt
leichtes Sprachstück selbständig niederzuschreiben.
Auf der Oberstufe sind die Schüler dahin zu führen, daß fie schwierigere Sprach-
stücke, deren Inhalt ihrem Lebenskreise nicht zu fern liegt, leicht und mit Ausdruck
vom Blatt lesen, Diktate dieser Art fehlerfrei niederschreiben und auch größere Sprach-
stücke richtig wiedergeben können.
Für die Uebung im Schreiben werden besondere Schreibstunden auf der Mittel-
und auf der Oberstuse der Schule mit einem oder zwei Lehrern, sowie in den Mittel-
klassen der mehrklassigen Schule eingerichtet. In den Oberklassen der letzteren kann
die Uebung außerdem zum Gegenstand häuslicher Aufgaben gemacht werden. Ziel
des Unterrichts ist die Aneignung einer saubern, deutlichen und gewandten Schrift
in allen, auch in schnell gefertigten Schriftsätzen.
Die Resultate eines guten Unterrichtes müssen demnach in allen Heften der
Schüler zum Borschein kommen.
Als Inhalt der Borschriften empfehlen sich volksthümliche Sprüchwörter, gute
und zeitgemäße Muster von geschäftlichen Formularen und Aussätzen.
25. Der Unterricht in der deutschen Sprachlehre.
In den Oberklassen mehrklassiger Schulen find für Unterricht und Uebung in der
deutschen Sprachlehre besondere Stunden anzusetzen; in der Schule mit einem oder
zwei Lehrern ist derselbe mit dem übrigen Sprachunterricht zu verbinden.
Ziel ist für die Mittelstufe: Kenntniß des einfachen Satzes und der einfachsten
Verhältnisse aus der Wortlehre; für die Oberstufe: der erweiterte Satz und weiter-
gehende Belehrungen aus der Wort- und Wortbildungslehre.
26. Das Lesebuch.
Dem gesammten Unterrichte im Deutschen liegt das Lesebuch zu Grunde.
Bei der Behandlung desselben ist womöglich der gesammte Inhalt desfselben nach
und nach zu verarbeiten.
Das Lesebuch ist nicht nur zur Erzielung der Lesefertigkeit, sondern auch zur
Einführung in das Berständniß der in demselben enthaltenen Musterstücke zu beuutzen.
Die Auswahl der Stücke ist so zu treffen, daß jährlich wechselnd ungefähr 30 zur
Behandlung kommen.
Geeignete Sprachstücke poetischer Form und zwar in Schulen mit einem oder
zwei Lehrern besonders Volksliedertexte, werden auf allen drei Stufen nach voran-
gegangener Besprechung memorirt.
Auf der Oberstufe mehrklassiger Schulen wird das Lesebuch auch dazu benutzt,
den Kindern Proben von den Hauptwerken der vaterländischen, namentlich der volks-
thümlichen Dichtung und einige Nachrichten über die Dichter der Nation zu geben;
doch beschränken sich diese Mittheilungen auf die Zeit nach der Reformation.
Die Auswahl der einzuführenden Lesebücher ist aus denen zu treffen, welche ein
volksthümliches Gepräge tragen und durch ihren gesammten Inhalt den erziehlichen
Zweck der Schule fördern.
Unter diesen aber verdienen diejenigen den Vorzug, welche in ihrer Form korrekt
sind und auch in den geschichtlichen und realistischen Theilen nicht eigene Ausarbeitungen
der Herausgeber, sondern Proben aus den besten populären Darstellungen der Meister
auf diesem Gebiete geben, und welche sich von kirchlichen und politischen Teu-
denzen freihalten. Für Schulen, welche von Kindern verschiedener Konfessionen be-
sucht werden, find möglichst nur solche Lesebücher zu wählen, welche keinen eigentlichen
konfessionellen Charakter haben. Aus den bereits eingeführten Lesebüchern sind die
Sprachstücke konfessionellen Inhaltes in den Religionsunterricht zu verweisen.
27. Der Sprachunterricht in Schulen mit Kindern verschiedener
Nationalität.
Bezüglich des Sprachunterrichts in solchen Schulen, in welchen die Kinder oder ein
Theil derselben eine andere als die deutsche Sprache reden, kommen die hierüber er-
gegangenen oder noch ergehenden besonderen Bestimmungen zur Anwendung.