Abschnitt XLI. Kirchen und geistliche Gesellschaften. 1297
§. 6. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes finden auf Familien—
Stiftungen und Familien-Fideikommisse keine Anwendung.
S. 7. Alle mit dem gegewärtigen Gesetze nicht im Einklange stehenden
Bestimmungen, insbesondere das Gesetz vom 13. Mai 1833 (G. S. S. 49),
die Allerhöchste Ordre vom 22. Mai 1836 (G. S. S. 195), die Verordnung
vom 21. Juli 1843 (G. S. S. 322), die in einem Theile der Provinz
Hannover noch in Geltung stehenden §§. 197 bis 216 Theil II Titel 11 des
llgemeinen Landrechts nebst dem §. 125 des Anhangs zum Allgemeinen Land-
recht, werden aufgehoben.
Allgemeines Landrecht, Theil II. Titel 11.
Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften.
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen
Dingen, der Glaube und der innere Gottesdienst können kein Gegenstand von
Zwangsgesetzen sein 9.
§. 2. Jedem Einwohner im Staat muß eine vollkommene Glaubens= und
Gewissensfreiheit gestattet werden.
§. 3. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religions-
sachen Vorschriften vom Staat anzunehmen.
§. 4. Niemand soll wegen seiner Relionsmeinungen beunruhigt, zur
Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden.
§. 5. Auch der Staat kann von einem einzelnen Unterthan die Angabe:
s welcher Religionspartei sich derselbe bekenne, nur alsdann fordern, wenn
ie Kraft und Gültigreit gewisser bürgerlicher Handlungen davon abhängt2).
Vom häuslichen Gottesdienste.
S§. 7. Jeder Hausvater kann seinen häuslichen Gottesdienst nach Gut-
finden anordnen.
S§. 8. Er kann aber Mitglieder, die einer anderen Religionspartei zugethan
sind, zur Beiwohnung desselben wider ihren Willen nicht anhalten.
§. 9. Heimliche Zusammenkünfte, welche der Ordnung und Sicherheit des
Staats gefährlich werden könnten, sollen auch unter dem Vorwande des häus-
lichen Gottesdtenstes, nicht geduldet werden?).
Religionsgesellschaften.
§. 10. Wohl aber können mehrere Einwohner des Staats, (unter dessen
Genehmigung] zu Religionsübungen sich verbinden .
Kirchengesellschaften.
S. 11. Religionsgesellschaften, welche sich zur öffentlichen Feier des Gottes-
dienstes verbunden haben, werden Kirchengesellschaften genannt.
1) Durch Art. 12 Preuß. Verf. Urk. ist die Freiheit des religiösen Bekenntnisses,
der Vereinigung zu Religionsgesellschaften unter Beobachtung der Vorschriften über
das Vereinsgesetz, und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung
gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist von dem
religiösen Bekenntniß, welches den entsprechenden Pflichten aber auch keinen Abbruch
thun soll, unabhängig. Vergl auch Ges. 3. Juli 1869 (R. G. Bl. S. 292)), betr.
die Gleichberechtigung der Konfessionen rc.
2) Befragung über Religien ist vorgeschrieben in R. Ges. 6. Febr. 1875 F§F. 54,
C. Pr. O. §. 360, Str. Pr. O. §. 67.
3) Jetzt bestimmt darüber das Vereins= und Versammlungsges. 11. März 1850
(G. S. S. 277). Z
4) Der Genehmigung des Staats bedarf es nach Verf. Art. 12 nicht mehr, das
Vereinsgesetz ist zu beobachten, Erk. O. Trib. 18. März 1853 (E. XXV. 288).
Illing-Kautz, Hanrbuch II. 7. Aufl. 82