Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XLI. Von dem Pfarrer und dessen Rechten. 1323 
§. 346. Erfolgt in der bestimmten Frist kein Einverständniß: so fällt die 
Besegung der Stelle für diesmal den geistlichen Obern anheim. 
§. 347. Diese müssen aber die Stelle in der Regel einem Dritten, wel- 
cher von keinem der uneinigen Patrone vorgeschlagen worden, verleihen. 
§. 348. Hat eine eigentliche Tochterkirche einen besonderen Patron: so 
muß dieser in der Regel dem Patrone in der Mutterkirche beitreten, wenn er 
nicht gegen das von letzterem ausgewählte Subjekt erhebliche Einwendungen 
nach I§. 319, 325, 328 und 337 zu machen vermag. 
§. 349. Wenn in dem Falle der §§. 340, 342 der Gemeinden von den 
mehreren Patronen drei Subjekte vorgeschlagen werden sollen, so finden, wenn 
die Patrone sich über diese Auswahl nicht vereinigen können, die Vorschriften 
88. 844 bis 347 Anwendung. 
§. 350. Wenn also die mehreren Patrone ohne ein vorhandenes Ueber- 
gewicht von Stimmen auf mehr als drei Subjekte Rücksicht nehmen: so müssen 
die geistlichen Obern der Gemeinde drei andere vorschlagen. . 
S. 351. Wenn jedoch alle oder die meisten Patrone sich über ein oder 
zwei Subjekte vereinigt haben: so müssen diese auch von den geistlichen Obern 
mit vorgeschlagen, und nur statt derjenigen, wegen welcher kein solches Ein- 
verständniß getroffen werden kann, andere genommen werden. 
§. 352. In allen Fällen, wo es auf die Stimmenmehrheit unter den 
Patronen ankommt, werden die Stimmen, wenn das Patronatrecht bloß per- 
sönlich ist, nach den Personen, wenn es aber auf Gütern ½ haftet, nach den 
Gütern, ohne Rücksicht auf den Werth oder die Größe derselben, gezählt, in so 
fern nicht, vermöge vorhandener Verträge, oder einer rechtsverjährten Gewohn- 
heit:), ungleiche Antheile für die mit dem Patronatrechte versehenen Güter 
bestimmt sind. 
Bei Kirchen, welche keinen Patron haben. 
§. 353. Bei Kirchen, welche keinen eigenen Patron haben, gebührt der 
Regel nach die Wahl des Pfarrers der Gemeinde:). 
§. 354. In diesem Falle müssen die Kirchenvorsteher ") der Gemeinde drei 
Subjekte vorschlagen. 
§. 355. Bei diesem Vorschlage aber müssen sie nur auf solche Subjekte, 
die der Gemeinde durch Probepredigten, oder sonst hinlänglich bekannt sind, 
Rücksicht nehmen, und besonders solche, von welchen sie Ursache haben, zu 
glauben, daß mehrere Mitglieder der Gemeinde Zuneigung und Vertrauen 
gegen sie hegen, nicht übergehen. 
§. 356. Bei der Wahl selbst hat in der Regel jedes) Mitglied der Ge- 
meinde, welches nicht einem mitwählenden Familienhaupte untergeordnet ist, 
ein Stimmrecht. 
Anh. §. 129. Auch Wittwen und unverheiratheten Frauenzimmern ist 
hierbei und unter der gedachten Einschränkung die Konkurrenz durch 
qualificirte Stellvertreter nicht zu versagen. 
357. Durch Streitigkeiten über die Befugnisse zum Stimmrechte soll 
die Wahl niemals aufgehalten werden. 
  
) Ueber die Stimmzählung bei dismembrirten Patronatsgütern vergl. Res. 15. März 
1809 (Mathis X. 69) und Res. E. O. K. 9. Sept. 1857 (Aktenstücke II. 200), so- 
wie Erk. O. Trib. 29. Okt. 1858 (Strieth. Arch. XXXI. 89). 
2) Observanzen in kirchlichen Gemeindeverhältnissen können zwar schon aus zwei 
gleichartigen Fällen erwiesen werden, bedürfen jedoch eines verjährungsmäßigen, 
wenn auch nicht eben dreißigjährigen Zeitraums, Erk. O. Trib. 10. Juni 1848 
(E. XVII. 365). (Man verlangt ein longum tempus oder 10 Jahre.) 
"1) Vergl. für die ev. Kirche Kirchengesetz 28. März 1892 (K. G. u. Vd. Bl. 
S. 115), betr. das Pfarrwahlrecht der Kirchengemeinden weiter unten. 
4) Nach der ev. K. G. u. Syn. O. 10. Sept. 1873 §. 32 Nr. 1 steht das 
Borschlagsrecht dem Gemeinde-Kirchenrath zu, nach §. 57 Ges. 20. Juni 1875 (kath.) 
der Gemeinde-Bertretung bezw. dem Kirchenvorstande. 
1) Minorenne stimmen durch ihre Vormünder, Res. 13. Nov. 1801 (Rabe 
VII. 62).
	        
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