Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXIII. Abänderung der Gewerbe-Ordnung. 169 
4. Fabrikbesfitzer, welche für mehr als 40 Arbeitstage im Kalenderjahre die Ge- 
nehmigung zur Ueberarbeit nachsuchen, haben einen Betriebsplau für das ganze 
Kalenderjahr einzureichen, welcher für die Fabrik oder die betreffende Betriebsabthei- 
jün venr Arbeitszeit der Arbeiterinnen über 16 Jahre an allen Betriebstagen er- 
ehen läßt. 
Sonn= und Festtage, sowie diejenigen Tage, für welche auf Grund des §. 139 
Abs. 1 der Gewerbe-Ordnung eine längere als die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit 
gestattet worden ist, find bei der nach §. 138a Abs. 2 vorzunehmenden Berechnung 
des Durchschnitts der Betriebstage außer Ansatz zu lassen. Maßgebend ist auch für 
die sogen. Campagneindustrien, welche nur während eines Theiles des Jahres im Be- 
triebe find, der Durchschnitt der Betriebstage, d. h. der Tage, an welchen ein regel- 
mäßiger Betrieb stattfindet. 
Die höhere Verwaltungsbehörde darf die Genehmigung zur Ueberarbeit für mehr 
als 40 Arbeitstage im Kalenderjahre nur unter der Bedingung ertheilen, daß in der 
Fabrik oder in der betreffenden Betriebsabtheilung für die nicht auf Vorabende von 
Sonn= und Festtage fallenden Betriebstage des Kalenderjahres die durchschnittliche 
Arbeitszeit elf Stunden nicht übersteigt. 
Der Bescheid auf den Antrag ist schriftlich zu ertheilen. Abschrift der ertheilten 
Genehmigung ist alsbald der Ortspolizeibehörde zuzustellen. 
5. Bei der Genehmigung ist, abgesehen von besonderen im einzelnen Falle zu 
stellenden Bedingungen, sowohl von der unteren wie von der höheren Verwaltungs- 
behörde stets ausdrücklich der Widerruf für den Fall vorzubehalten, daß die Grenzen 
und Bedingungen der Ueberarbeit nicht inne gehalten werden oder daß Unzuträglich- 
keiten aus der Ueberarbeit entstehen sollten. Ist die Genehmigung auf Grund eines 
Betriebsplanes erfolgt, so ist außerdem zu fordern, daß der Betriebsplan mit dem 
Genehmigungsvermerk in den Fabrikräumen, in welchen Arbeiterinnen über 16 Jahre 
beschäftigt werden, ausgehängt werde. 
Ist die Nichtinnehaltung der Genehmigung durch den Fabrikbesitzer oder durch 
eine von ihm zur Leitung des Betriebes oder zur Beaufsichtigung bestellte Person 
verschuldet, so ist der Regel nach die Genehmigung sofort zu widerrufen und die 
Bestrafung wegen Zuwiderhandlung gegen §. 137 auf Grund des S§. 146 Abs. 1 
Ziff. 2 der Gewerbe-Ordnung herbeizuführen. 
Die Genehmigung neuer Anträge auf Ueberarbeit ist zu versagen, wenn gericht- 
liche Bestrafungen wegen Zuwiderhandlung gegen §. 137 oder wenn andere That- 
sachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß in dem Betriebe des 
Autragstellers eine gewissenhafte Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften nicht zu er- 
warten ist. 
6. Voraussetzung für die Genehmigung der Ueberarbeit sowohl durch die untere 
als durch die höhere Verwaltungsbehörde ist eine „außergewöhnliche Häufung der 
Arbeit“. Diese tritt regelmäßig ein bei den sogen. Saisonindustrien, d. h. solchen, 
welche zwar während des ganzen Jahres betrieben werden, aber zu regelmäßig wieder- 
kehrenden Zeiten im Jahre einen verstärkten Betrieb haben. Zu ihnen gehören zu- 
nächst manche auf den Winter= oder Sommerbedarf arbeitende Gewerbe, insbesondere 
verschiedene Zweige der Textilindustrie, Fabriken für Konfektion und Putzmacherei, 
Stickereien, Färbereien, Druckereien, Strohhutfabriken 2c., sodann die für den Bedarf 
an gewissen Festen (Weihnachten, Fastnacht, Ostern, Kirchweih= und Schützenfeste) 
arbeitenden Gewerbe. Einen verstärkten Betrieb können beispielsweise haben: Zucker- 
waaren-, Chokolade-, Bisquit-, Kakes-, Luxuspapier-, Kartonnage-, Masken-, Spiel- 
waaren-, Parfümerie= und Bijouteriefabriken, Buchdruckereien, Buchbindereien und 
Fabriken für künstliche Blumen. 
Dieser vermehrte Bedarf zu gewissen Jahres- und Festzeiten rechtfertigt aber die 
Genehmigung der Ueberarbeit nur dann, wenn durch Produktion auf Vorrath oder 
Lager diesem Bedarf nicht Rechnung getragen werden kann. Dies trifft ohne weiteres 
zu für Waaren, welche dem Verderben ausgesetzt sind, wenn sie über eine gewisse 
Zeit hinaus lagern. Diese Voraussetzung kann ferner zutreffen für Waaren, welche 
nur auf Bestellung angefertigt werden, wenn letztere nicht frühzeitig genug zu erlangen 
find, oder für Waaren, welche von der Mode abhängen, deren Feststellung noch ab- 
gewartet werden muß. 
Für die Saisonindustrien ist die Ueberarbeit also nur zu gestatten, wenn und 
soweit eine verstärkte Nachfrage vorliegt, für deren Befriedigung nicht in der stillen
	        
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