Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXIII. Betrieb von Bäckereien und Konditoreien. 237 
— die „gemischten“ Betriebe —. Die Betriebe, die ausschließlich Konditorwaaren 
herstellen — die „reinen“ Konditoreien — bleiben also auch dann, wenn sie zur 
Nachtzeit arbeiten, von den beschränkenden Bestimmungen unter I. der Bekannt- 
machung befreit. 
Ein Zweifel darüber, ob in einem Nachtbetriebe Bäckerwaaren hergestellt werden, 
der Betrieb also unter die Bestimmungen des Bundesraths fällt, wird voraussichtlich 
nur selten entstehen. Verlangt die Polizeibehörde von einem solchen Nachtbetriebe die 
Befolgung der Vorschriften des Bundesraths, während der Arbeitgeber dabei beharrt, 
daß in dem Betriebe nur Konditorwaaren hergestellt würden, so wird die Entscheidung 
des Strafrichters herbeizuführen sein. 
3. Einer Schädigung der unter die Vorschriften des Bundesraths fallenden 
„gemischten“ Betriebe durch die unbeschränkt gebliebenen „reinen“ Konditoreien wird 
durch die Vorschrift unter III. der Bekanntmachung des Reichskanzlers vorgebeugt, die 
es den gemischten Betrieben ermöglicht, die als Konditorgehülfen und Lehrlinge be- 
schäftigten Personen bei Tage unbeschränkt und außerdem zur Nachtzeit bei der Her- 
stellung oder Herrichtung leicht verderblicher Waaren (Eis, Crêmes u. dergl.) zu ver- 
wenden, die Arbeitszeiten dieser Personen also auch fernerhin so zu gestalten, wie es 
gegenwärtig üblich ist. 
4. In der zwischen den Arbeitsschichten liegenden Zeit soll jedem Arbeiter eine 
ununterbrochene Ruhe von 8 Stunden, dem Lehrling im zweiten Lehrjahre eine solche 
von 9 Stunden und im ersten Lehrjahre eine solche von 10 Stunden gewährt werden. 
In dem nach Abzug der ununterbrochenen Ruhezeit verbleibenden Rest jener Zwischenzeit 
darf jeder Gehülfe und Lehrling höchstens eine halbe Stunde lang bei der Herstellung 
des Vorteigs, abgesehen hiervon aber bei der Herstellung von Waaren über- 
haupt nicht und im Uebrigen nur zu gelegentlichen Dienstleistungen also nicht zu 
regelmäßigen Arbeiten irgendwelcher Art verwendet werden. 
Als gelegentliche Dienstleistungen find solche Arbeiten anzusehen, die außer- 
halb des regelmäßigen Fortgangs der Haupt= und Nebenarbeiten des Betriebes zeit- 
weise vorkommen, z. B. das Abladen einer ankommenden Sendung von Mehl, Holz 
oder Kohlen, das Ueberbringen von Waaren an einzelne Kunden. Zu den gelegent- 
lichen Dienstleistungen zählen also nicht die regelmäßigen Nebenarbeiten des Betriebes, 
1. B. das alltägliche Austragen von Backwaaren an die Kunden, das Reinigen der 
Backstube, der Bleche, der Maschinen und dergl. Arbeiten dieser Art sind auf die 
tägliche Arbeitsschicht anzurechnen. 
5. Soweit die unter die Bek. 4. März 1896 fallenden Betriebe als Fabriken 
anzusehen sind, gelten für sie hinsichtlich der Regelung der Arbeitszeiten der Arbeite- 
rinnen und jugendlichen Arbeiter neben den Vorschriften der Bekanntmachung auch 
die Bestimmungen der §§. 135 bis 139 a der Gewerbe-Ordnung. 
6. An Sonn= und Festtagen darf nach I. 5 der Bek. 4. März 1896 die 
Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen auf Grund des §. 105e der Gewerbe- 
Ordnung und der in den 88. 105e und 105f a. a. O. vorgesehenen Ausnahme- 
bewilligungen nur insoweit erfolgen, als dies mit den Bestimmungen unter I. 1 bis 3 
der Bekanutmachung vereinbart ist. Demnach dürfen ebenso, wie die Werktags- 
schichten, auch die in den Sonntag hinreichenden Schichten nicht länger als 12 bezw. 
13 Stunden dauern. 
Durch Ueberarbeit auf Grund der Vorschriften unter I. 3 der Bek. sollen zwar 
auch die Sonntagsschichten verlängert werden dürfen; diese Verlängerung findet aber in 
der Regel ihre Grenze an der von den Regierungspräsidenten auf Grund des §. 105e 
Gew. O. für Sonn= und Festtage vorgeschriebenen Ruhezeit von 14 Stunden. Nur 
an solchen Sonn= und Festtagen, für welche etwa die Regierungspräsidenten aus- 
nahmsweise ausgedehntere Sonntagsarbeit gestattet haben (vergl. B. III. 7 der Anw., 
betr die Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe, 11. März 1895), wird auch während 
der vierzehnstündigen Ruhezeit Ueberarbeit stattfinden dürfen, sofern nur den Arbeitern 
gemäß den Vorschriften unter I. 3 der Bek. eine ununterbrochene Ruhe von mindestens 8, 
bezw. 9 und 10 Stunden verbleibt. 
 
	        
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