456 Abschnitt XXXIV. Invaliditäts= und Altersversicherung.
dreihundertfachen Betrages des nach §. 8 des Krankenversicherungs-Gesetzes vom
sa o7nn (R. G. Bl. S. 417) festgesetzten ortsüblichen Tagelohnes gewöhn-
licher Tagearbeiter des letzten Beschäftigungsortes, in welchem er nicht lediglich
vorübergehend beschäftigt gewesen ist. Z„
Altersrente erhält, ohne daß es des Nachweises der Erwerbsunfähigkeit
bedarf, derjenige Versicherte, welcher das siebenzigste Lebensjahr vollendet hat.
§. 10. Invalidenrente erhält auch derjenige nicht dauernd erwerbsunfähige
Versicherte, welcher während eines Jahres ununterbrochen erwerbsunfähig ge-
wesen ist. für die weitere Dauer seiner Erwerbsunfähigkeit.
§. 11. Ein Anspruch auf Invalidenrente steht denjenigen Versichertem
nicht zu, welche erweislich die Erwerbsunfähigkeit sich vorsätzlich oder bei
zaehung. eines durch strafgerichtliches Urtheil festgestellten Verbrechens zuge-
zogen haben.
§. 12. Die Versicherungsanstalt ist befugt, für einen Erkrankten, der
reichsgesetzlichen Krankenfürsorge nicht unterliegenden Verficherten das Heil-
verfahren in dem im §. 6 Abs. 1 Ziff. 1 des Krankenversicherungs-Gesetzes.
bezeichneten Umfange zu übernehmen, sofern als Folge der Krankheit Erwerbs-
unfähigkeit zu besorgen ist, welche einen Anspruch auf reichsgesetzliche Invaliden-=
rente begründet.
Die Versicherungsanstalt ist ferner befugt, zu verlangen, daß die Kranken-
kasse, welcher der Versicherte angehört oder zuletzt angehört hat, die Fürsorge
für denselben in demjenigen Umfange übernimmt, welchen die Versicherungs-
anstalt für geboten erachtet. Die Kosten dieser von ihr beanspruchten Fürsorge
hat die Versicherungsanstalt zu ersetzen. Als Ersatz dieser Kosten ist die
Hälfte des nach dem Krankenversicherungs-Gesetze zu gewährenden Mindest-
betrages des Krankengeldes zu leisten, sofern nicht höhere Aufwendungen nach-
gewiesen werden.
Streitigkeiten zwischen den Versicherungsanstalten und den betheiligten
Krankenkassen werden, sofern es sich um die Geltendmachung dieser Befugnisse
handelt, von der Aufsichtsbehörde der betheiligten Krankenkassen endgültig,
sofern es sich um die Ersatzansprüche handelt, im Verwaltungsstreitverfahren),
oder, wo ein solches nicht besteht, durch die ordentlichen Gerichte entschieden.
Wird in Folge der Krankheit der Versicherte erwerbsunfähig, so verliert
er, falls er sich den im Abs. 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen entzogen hat,
den Anspruch auf Invalidenrente, sofern anzunehmen ist, daß die Erwerbs-
unfähigkeit durch dieses Verhalten veranlaßt ist.
§. 13. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde für ihren Bezirk
oder eines weiteren Kommunalverbandes ?) für seinen Bezirk oder Theile desselben
kann, sofern daselbst nach Herkommen der Lohn der in land= oder forstwirth-
schaftlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter ganz oder zum Theil in Form von
Naturalleistungen gewährt wird, bestimmt werden, daß denjenigen in diesem
Bezirke wohnenden Rentenempfängern, welche innerhalb desselben als Arbeiter
in land= und forstwirthschaftlichen Betrieben ihren Lohn oder Gehalt ganz oder
zum Theil in Form von Naturalleistungen bezogen haben, auch die Rente
bis zu zwei Dritteln ihres Betrages in dieser Form gewährt wird. Der
Werth der Naturalleistungen wird nach Durchschnittspreisen in Ansatz gebracht-
Dieselben werden von der höheren Verwaltungsbehörde) festgesetzt. Die statu-
tarische Bestimmung bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde-
Solchen Personen, welchen wegen gewohnheitsmäßiger Trunksucht na
Anordnung der zuständigen Behörde geistige Getränke in öffentlichen Schank-
stätten nicht verabfolgt werden dürfen, ist die Rente in derjenigen Gemeinde,
für deren Bezirk eine solche Anordnung getroffen worden ist, auch ohne da
die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, ihrem vollen Betrage nach in Na-
turalleistungen zu gewähren.
) Zuständig ist der Bezirksausschuß. Gegen seine Entscheidung ist nur Revision
zulässig, Vd. 28. Mai 1890 (G. S. S. 181).
2) Bek. 17. März 1890, weiter unten.