Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXV. Einkommensteuer-Gesetz. 589 
bliebenen Einkommen entsprechende Ermäßigung der Einkommensteuer bean- 
sprucht werden . 
§. 59:). Im Uebrigen tritt innerhalb des Steuerjahres eine Veränderung 
in den Steuerrollen nur ein entweder in Folge von Zugängen, indem Personen 
durch Zuzug aus anderen Bundesstaaten und aus dem Auslande, durch Aus- 
tritt aus einer besteuerten Haushaltung, durch Ausscheiden aus dem Militär- 
dienst u. s. w. steuerpflichtig werden, oder in Folge von Abgängen, indem bei 
1) Die Einnahmequelle und nicht nur das Einkommen aus einer solchen muß 
weggefallen sein'). Es genügt also nicht, wenn die Zinsen eines Kapitals rückständig 
bleiben, wenn der bisherige Ertrag aus einem verpachteten oder vermietheten Grund- 
stücke sich mindert oder versiegt, weil der Mieths- oder Pachtvertrag abgelaufen ist, 
wenn die geschäftlichen Einnahmen eines Kaufmannes oder Fabrikanten sich in Folge 
Abnahme der Kundschaft oder Einschränkung der Produktion mindern, wenn der Ver- 
dienst aus Gewinn bringender Beschäftigung in Folge Sinkens der Lohnsätze"") oder 
in Folge vorübergehender Arbeitslofigkeit geschmälert wird. 
Um eine Ermäßigung im Laufe des Jahres zu rechtfertigen, muß die zinstragende 
Kapitalforderung selbst erloschen, das vermiethete Gebäude abgebrochen oder unbenutzbar 
geworden, der Gewerbebetrieb oder doch ein als selbständige Erwerbsquelle anzusehender 
Theil des Gewerbebetriebes, z. B. eines von mehreren Ladengeschäften, eingestellt, das 
mit Besoldung verbundene Amt, die Ausübung der Anwaltschaft oder sonstigen Gewinn 
bringenden Thätigkeit aufgegeben sein. 
Der Wegfall der Quelle muß aber eine vollendete Thatsache sein, bevor eine 
Ermäßigung bewilligt werden kann. Steht der Wegfall z. B. der Verlust des Amtes 
im Falle der Suspension eines Beamten während des gegen ihn schwebenden 
Disziplinarverfahrens, oder der Ausfall einer Kapitalforderung bei der Zwangsver- 
steigerung des verpfändeten Grundstückes zwar in Aussicht, aber noch nicht end- 
gültig fest, so ist die Entscheidung auf den etwa vorliegenden Ermäßigungsantrag bis 
zum Austrage der Sache auszusetzen und bis dahin nach Bewandtniß der Umstände 
die Steuer zu stunden. 
Als außergewöhnliche Unglücksfälle kommen namentlich in Betracht: 
Krankheiten oder Todesfälle unter den erwerbenden Mitgliedern der Familie, Vieh- 
seuchen, Schaden durch Feuer, Hagelschlag, Ueberschwemmung und ähnliche mit ört- 
licher oder individueller Beschränkung wirkende Naturereignisse. 
Nicht hierher gehören wirthschaftliche Borgänge, welche auf den betreffenden Er- 
werbszweig im allgemeinen einen nachtheiligen Einfluß üben, wie Stockungen im 
gewerblichen und Handelsverkehr, oder ungünstige Ernten. Die dadurch herbeigeführten 
Ansfälle in den Einnahmen werden in Folge der Berechnung des steuerpflichtigen 
Einkommens nach dreijährigem Durchschnitt bei der Besteuerung bereits gebührend 
berückfichtigt. 
In einem Falle kommt es auf die Höhe der Einkommensminderung nicht an, 
sofern nämlich das wegfallende Einkommen anderweit zur Einkommensteuer gemäß 
§. 57 des Ges. herangezogen wird. 
Gelangt beispielsweise das Vermögen einer Ehefrau, deren besonderes Einkommen 
dem Ehemann angerechnet war, nach dem Tode der Ehefrau ganz oder theilweise in 
Folge Erbganges an deren Verwandte und bei diesen das entsprechende Einkommen 
in Gemäßheit des §. 57 des Ges. zur Besteuerung im Laufe des Jahres, so ist 
der Anspruch des Ehemannes auf Ermäßigung begründet, auch wenn die für ihn 
dadurch eingetretene Einkommensminderung hinter dem vierten Theile seines veran- 
lagten Gesammteinkommens zurückbleibt, Ausf. Anw. Art. 73. 
2) Vergl. zu §§. 59, 60 die ausführlichen Vorschriften in Ausf. Anw. Art. 74 
bis 80 und Res. 3. Mai 1892 (M. 25 S. 76); 14. Nov. 1892 (M. 26 S. 28); 
2. Nov. 1892 (M. 25 S. 78); 2. Febr. 1893 (M. 26 S. 30). 
  
*) Besteht daher die Einnahmequelle bei Verlegung des Wohnsitzes weiter fort, 
so ist §. 58 nicht anwendbar, Res. 27. Okt. 1892 (M. 25 S. 74). Anders bei 
einem Arzte, der seine Praxis fast ganz in Folge Umzuges verloren hat, Res. 2. Febr. 
1894 (M. 30 S. 39). « 
*s) Bei dauernder und bedeutender Schmälerung des Arbeitsverdienstes, Res. 
24. Jan. 1893 (M. 26 S. 25).
	        
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