Abschnitt XXXV. Gewerbesteuer-Gesetz. 599
Der Finanzminister ist ermächtigt, auch für andere im öffentlichen Inter-
esse unternommene gewerbliche Betriebe der Kommunalverbände Steuerfreiheit
zu gewähren!). So lange solche Betriebe ertraglos sind, muß auf Antrag vom
Finanzminister die Steuerfreiheit gewährt werden:).
Der Finanzminister ist ermächtigt, vorstehende Bestimmungen auch auf
Unternehmungen anderer Korporationen, Vereine und Personen, welche nur
wohlthätige oder gemeinnützige Zwecke unter Ausschluß eines Gewinnes für
die Unternehmer verfolgen (z. B. öffentliche Volksküchen, Kaffeeschänke, Volks-
bibliotheken und dergleichen), zu erstrecken, und finden dieselben zugleich in
Betreff der Betriebssteuer (§§. 59 ff.) Anwendungs) 10.
§. 4. Der Gewerbesteuer unterliegen nicht:
1. die Land= und Forstwirthschaft), die Viehzucht, die Jagd, die Fisch-
zucht"), der Obst= und Weinbau, der Gartenbau?)5) mit Ausnahme der Kunst-
1) Einen Rechtsanspruch haben die Kommunalverbände darauf nicht. Kommu-
nale Gasanstalten gelten regelmäßig als Gewerbebetriebe, die, wenn sie nicht ertrag-
los sind, der Gewerbesteuer unterliegen, Res. 4. März 1893 (M. 26 Nr. 42); vergl.
E. O. V. in St. 1V. 306.
:) Die Kommunalverbände haben die zu stellenden Anträge vor dem Beginne
des jährlichen Veranlagungsgeschäfts, bei Zugängen im Laufe des Stenerjahres (§. 34
des Ges.) jedoch spätestens mit dem Zeitpunkte der Betriebseröffnung, unmittelbar bei
der Regierung schriftlich einzureichen und zu begründen. Die eingegangenen Anträge
sind von den Regierungen, soweit dies erforderlich, weiter vorzubereiten und nebst den
etwa entstandenen Verhandlungen in beschleunigter Weise dem Finanzminister mit
gutachtlichem Berichte vorzulegen.
Von den Entscheidungen des Finanzministers haben die Regierungen den Antrag-
stellern und den zuständigen Vorsitzenden der Steuerausschüsse Kenntniß zu geben,
Ausf. Anw. Art. 6.
3) Auf Grund der im §. 3 Abs. 3 des Ges. ertheilten Ermächtigung ist für die nach-
bezeichneten gewerblichen Unternehmungen von vorn herein Befreiung sowohl von der
Gewerbesteuer, als auch, soweit diese überhaupt in Betracht kommt, von der Betriebs-
steuer (§§. 59sf. des Ges.) gewährt:
1. öffen tliche Volksküchen, Suppenanstalten, Kaffeeschänken und äbnliche An-
stalten, welche dazu bestimmt und eingerichtet sind, den unbemittelten Volks-
klassen, unentgeltlich oder gegen billige Vergütung, zum sofortigen Genusse zubereitete
Speisen oder Getränke — letztere jedoch unter gänzlichem Ausschlusse geistiger
Getränke — zu liefern;
2. öffentliche Volksbibliotheken, welche dazu bestimmt und eingerichtet find,
den weniger bemittelten Volksklassen unentgeltlich oder gegen billige Ver-
gütung, durch leihweise Ueberlafsung von Büchern und Schriften einen guten und
angemessenen Lesestoff zu bieten;
3. Wohlthätigkeits-Bazare, Vorstellungen und -Corcerte.
Unter den im Eingange bezeichneten Voraussetzungen kann von dem Finanz-
minister auch für andere als die unter Nr. 1 bis 3 gedachten Unternehmungen zeit-
weilig oder dauernd Befreiung sowohl von der Gewerbesteuer, als auch von der Be-
triebssteuer gewährt werden.
Bezüglich der hierauf gerichteten Anträge gelten die Bestimmungen des Art. 6
Abs. 3 und 4, Ausf. Anw. Art. 7. Einen Rechtsanspruch giebt es auch hier nicht.
!) Die Ermächtigung des Finanzministers aus 8. 3 Abs. 2 und 3 wird durch
§. 11 Abs. 2 Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern nicht berührt.
5) Der mit eigener Wasserkraft stattfindende Betrieb einer Brettschneidemühle,
die zur Bearbeitung der im eigenen Forstwirthschaftsbetriebe gewonnenen Hölzer be-
stimmt ist, ist als eine im Bereiche der Forstwirthschaft liegende Anlage steuerfrei,
E. O. V. in St. III. 336.
6) Die wilde Fischerei, der Fischfang in nicht geschlossenen Gewässern, in Meeren,
Küstengewässern, Haffen und Strömen unterliegt der Gewerbesteuer nicht, wohl aber
der in Folge abgesonderter Pachtung betriebene Fischfang in geschlossenen Gewässern,
E. O. V. in St. IV. 447.
7) Hierbei macht es keinen Unterschied, ob diese Erwerbszweige einzeln für sich
oder in Verbindung mit einander ausgeübt werden; ebensowenig, ob die Ausübung