Abschnitt XXXV. Gewerbesteuer-Gesetz. 627
§. 71. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark) wird bestraft?:
1. wer die nach den Bestimmungen der S§§. 28, 54, 55 und 56 dieses
Gesetzes ihm obliegende Verpflichtung nicht erfüllt; insbesondere auch wer die
erforderte Erklärung, zu welcher er nach Vorschrift der §§. 54 bis 56 ver-
pflichtet ist, wissentlich unvollständig oder unrichtig abgiebt;
2. wer dem nach §. 25 Abs. 4 Zuständigen die Einsicht der gewerblichen
Anlagen, Betriebsstätten oder Vorräthe verweigert.
§. 72. Die bei der Steuerveranlagung betheiligten Beamtens), sowie die
Mitglieder der Steuerausschüsse und deren Stellvertreter werden, wenn sie die
zu ihrer Kenntniß gelangten Erwerbs-, Vermögens= oder Einkommensverhältnisse
oder die Geschäftsgeheimnisse eines Steuerpflichtigen, insbesondere auch den
Inhalt der im §. 55 bezeichneten Erklärungen oder der darüber gepflogenen
Verhandlungen unbefugt offenbaren, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft“). ·
Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein und muß stattfinden, inso-
fern der durch die Verletzung des Geheimnisses betroffene Steuerpflichtige die-
selbe unter Darlegung des Sachverhalts beansprucht und nicht Rücksichten des
öffentlichen Wohles entgegenstehen. Für die Stellung des Antrages gegen Vor-
sitzende und Mitglieder der Steuerausschüsse der Klasse 1 und gegen deren Stell-
vertreter ist der Finanzminister, im Uebrigen die Bezirksregierung zuständig.
§. 738). Die auf Grund der §§. 70 und 71 festzusetzenden, aber un-
beitreiblichen Geldstrafen sind nach Maßgabe der für Uebertretungen geltenden
Bestimmungen des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich (§§. 28 und 29)
in Haft umzuwandeln.
Die Untersuchung und Entscheidung in Betreff der in den §§. 70 und 71
bezeichneten strafbaren Handlungen steht dem Gericht zu, wenn nicht der Be-
schuldigte die von der Regierung vorläufig festgesetzte Geldstrafe nebst den durch
das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten binnen einer ihm bekannt ge-
machten Frist freiwillig zahlt.
Die Regierungen sind ermächtigt, hierbei eine mildere, als die im §. 70
vorgeschriebene Strafe in Anwendung zu bringen.
Hat der Beschuldigte in Preußen keinen Wohnsitz, so erfolgt das Ein-
schreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der Strafe durch die Regie-
rung. Dasselbe findet statt, wenn die Regierung aus sonstigen Gründen von
der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen erklärt oder der
Angeschuldigte hierauf verzichtet.
Bei den gerichtlichen Entscheidungen ist hinsichtlich der Höhe der im §. 70
vorgeschriebenen Geldstrafe die von der Regierung festzusetzende Jahressteuer
zu Grunde zu legen.
Die Entscheidung wegen der hinterzogenen Steuer verbleibt in allen Fällen
den Verwaltungsbehörden.
In Betreff der Zuwiderhandlungen wegen der Verpflichtung zur Geheim-
haltung (§F. 72) findet nur das gerichtliche Strafverfahren statt.
Kosten.
§. 74. Die Kosten der Steuerveranlagung und -verwaltung lund Er-
hebung fallen der Staatskasse zur Last, soweit sie nicht durch die den Ge-
meinden übertragenen Geschäfte entstehen"). Die Kosten der Erhebung und
1) Verjährung wie Anm. 1 S. 626.
vUnd zwar auch dann, wenn das betr. Gewerbe nach §. 7 des Ges. nicht steuer-
pflichtig sein sollte, Ausf. Anw. Art. 53, 1 Abs. 4.
2) Zu diesen gehören Registraturbeamte, Kanzlisten, Boten und ähnliche
Beamte nicht.
!) Die Vergehen nach §. 72 unterliegen den allgemeinen Grundsätzen über Ver-
jährung (3 Jahre gemäß §. 67 R. Str. G. B.).
/) Vergl. die Bestimmungen in Ausf. Anw. Art. 53 oben Anm. 9 zu §S. 70.
6) §. 14 Abs. 1 Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung dir. Staatssteuern, Ausf.
Anw. Art. 42, 6, 56 1. und II.; III. 2à und b.
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