Abschnitt XXXV. Hausirsteuer-Gesetz. 651
geht, soll dieserhalb nicht neben der Hausirsteuer auch noch von der Steuer vom
stehenden Gewerbe betroffen werden. Der Geschäftsbetrieb am Wohnorte wird viel-
mehr in Fällen solcher Art als Theil des Gewerbebetriebes im Umherziehen behandelt.
Bedingung für diese Behandlungsweise ist aber, daß der Geschäftsbetrieb am Wohn-
orte nur
a) vorübergehend und
b) ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung ausgeübt werden darf.
Wer also nicht bloß zu Zeiten, sondern ununterbrochen — auch während gleich-
zeitig der Geschäftsbetrieb außerhalb des Wohnortes auf Grund des Gewerbescheins
vor sich geht — am Wohnorte selbst (durch Gehilfen oder Angehörige) sein Geschäft
betreibt, oder wer am Wohnorte solche Veranstaltungen trifft, welche als Begründung
einer gewerblichen Niederlassung anzusehen sind, z. B. eine feste Verkaufsstätte behufs
dauernden Absatzes seiner Waaren am Wohnorte eröffnet, wenngleich diese nicht un-
unterbrochen offen gehalten, sondern zu Zeiten geschlossen wird, unterliegt neben der
Haufirsteuer auch den Vorschriften über Anmeldung und Besteuerung des stehenden
Gewerbebetriebes an seinem Wohnorte.
9. Die Festsetzung der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen steht ledig-
lich den Regierungen, in Berlin der Direktion für die Verwaltung der direkten
Steuern zu. #
Die Erhebung einer Nachsteuer beim Uebertritt der im §. 60 Abs. 2 der Gew. O.
bezeichneten Gewerbetreibenden aus einem Regierungsbezirke in den andern findet
nicht statt. Bei Ausdehnung des Gewerbescheins auf einen andern Bezirk bedarf
es einer Mittheilung hierüber an die Finanzabtheilungen der Regierungen nicht,
außer in denjenigen Fällen, wo ein von einer nichtpreußischen Behörde ausgestellter
Gewerbeschein der fraglichen Art zuerst behufs Ausdehnung auf einen preußischen
Bezirk der betreffenden preußischen Behörde vorgelegt wird.
Die von der Regierung in Sigmaringen ausgestellten Gewerbescheine haben
jedoch — was auf denselben ausdrücklich zu vermerken ist — nur Giltigkeit für die
Hohenzollernschen Lande. Will der Inhaber eines solchen Gewerbescheins sein Gewerbe
in einem andern Theile der Monarchie betreiben, so ist die Ausdehnung des Gewerbe-
scheins und Nacherhebung der Steuer nach Vorschrift des § 11 des Ges. nothwendig.
10 1). I. Der Steuersatz von 48 Mark hat die Regel zu bilden, und muß
derselbe in allen Fällen Anwendung finden, in denen nicht besondere Umstände nach
den Bestimmungen des Gesetzes einen ermäßigten oder einen erhöhten Jahressteuersatz
rechtfertigen. Das Gesetz hat
a) ainerseits bestimmtere Normen für die Gewerbebetriebe geringer Art hinzu-
gefügt, und
b) andererseits die Regierungen ermächtigt, auch die besonderen perfönlichen Ver-
hältnisse der Steuerpflichtigen, welche den Gewerbebetrieb beeinflussen (z. B.
Gebrechlichkeit, hohes Alter, Mittellosigkeit), in Erwägung zu ziehen.
Von den Gewerben geringer Art, für welche die Steuersätze von 36, 24,
18, 12 und 6 Mark bestimmt sind, werden im §. 9 unter a und b gewisse Gattungen
mit Anführung typischer Beispiele näher bezeichnet. Bei beiden Gattungen soll regel-
mäßig, und wenn nicht auf einen bei diesen Gewerben ungewöhnlichen Betriebs-
ausmfang zu schließen ist, über den Steuersatz von 24 Mark nicht hinausgegangen
werden. Der Satz von 24 Mark wird danach dann anzuwenden sein, wenn ins-
besondere bei den unter b aufgeführten Gewerben nach der Art und Weise ihrer
Ausübung (Mitnahme von Begleitern, Halten von Fuhrwerk u. s. w.) oder sonstigen
Umständen (z. B. günstigen Absatzverhältnissen), auf einen erheblichen Umfang zu
schließen und nicht etwa andererseits individuelle, den Gewerbebetrieb beeinträchtigende
Umstände (vorstehend zu I. b) vorliegen. Unter gleichen Voraussetzungen würde für die
unter a im §. 9 des Ges. bezeichneten Gewerbe der Steuersatz von 18 Mark genügen.
Als mittlerer Satz ergiebt sich hieraus für die erstgedachte Gattung (§. 9b) der
Steuersatz von 18 Mark, für die zweitgedachte Gattung (§. 9a) derjenige von
12 Mark, und unter diese Sätze wird nur in denjenigen Fällen herabzugehen sein,
mn welchen dieselben wegen des minimalen Umfanges des Gewerbebetriebes oder wegen
der obwaltenden besonderen Verhältnisse in der Person des Steuerpflichtigen (zu I. b
Z ) Vergl. oben S. 638 Anm. 1 zu §. 9 wegen der steuerpflichtig gewordenen De-
tailreisenden.