708 Abschnitt XXXV Stempelsteuer-Gesetz. Tarif.
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Zu Anmerkung 2 auf S. 707.
Gesangs= oder deklamatorischen Vorträgen, Borträgen auf dem Klavier, einem mechani-
schen oder anderen Musikinstrumente, Vorstellungen von Kunstreitern, Gymnastikern,
Equilibristen, Ballet= und Seiltänzern, Taschenspielern, Zauberkünstlern, Bauchrednern,
Kraftmenschen, das Halten von Karoussels, Schaukeln, Würfel= oder Schießbuden,
Marionettentheatern, das Schaustellen von Menschen und Thieren, das Vorzeigen von
Panoramen, Wachsfigurenkabinets, Mufeen, das Abbrennen von Feuerwerken, die
Beranstaltung öffentlicher Aufzüge (Bereins= und Schüleraufzüge, Fackelzüge u. s. w.),
Muikaufführungen auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Wegen und dergl.
Dagegen sind die Darbietungen der Drehorgelspieler und anderer umherziehender
Straßenmusikanten als unter den Begriff der Tarifstelle 39 fallende Lustbarkeiten nur
insoweit anzusehen, als diese Personen Musikaufführungen in geschlossenen Räumen
gegen Eintiittsgeld veranstalten. .
II. Nothwendigkeit der Genehmigungen der Ortspolizeibehörden. 1. Insoweit
gewerbsmäßig veranstaltete Lustbarkeiten in Frage kommen, richtet sich die Genehmi-
gungspflicht nach den Bestimmungen der R. Gew. O. 1. Juli 1883 (R. G. Bl.
S. 177). Danach bedarf derjenige einer ortspolizeilichen Genehmigung, der gewerbs-
mäßig Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige
dusibarkeiten, ohne daß ein häöheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei
obwaltet,
a) im Gemeindebezirke seines Wohn= oder Niederlassungsortes von Haus zu Haus
oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen (. 33b R. Gew. O.),
b) im Umherziehen außerhalb seines Wohn= oder Niederlassungsorts an einem
Orte von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder
an anderen öffentlichen Orten — z. B. in Gast= oder Schanklokalen — (88. 55
Nr. 4 und 60 a R. Gew. O.)
veranstalten will.
Im übrigen entscheiden über die Genehmigungspflicht die landesrechtlichen
Bestimmungen.
2. Die Frage, inwieweit nicht gewerbsmäßig veranstaltete öffentliche oder private
Lustbarkeiten einer polizeilichen Genehmigungspflicht unterliegen, richtet sich nach den
bestehenden Gesetzen und Polizeiverordnungen.
3. Zur Abhaltung von öffentlichen Tanzlustbarkeiten, auch für die gewerbs-
mäßig veranstalteten (s. 336 R. Gew. O.) bedarf es stets der Erlanbniß der Orts-
polizeibehörde.
Das Gleiche gilt durchweg von Lustbarkeiten, welche von Privat= oder ge-
geschlossenen Gesellschaften veranstaltet werden, wenn zu ihnen auch andere Personen
als die Mitglieder oder die von diesen eingeführten Gäste Zutritt haben oder wenn
die Gesellschaft ausschließlich oder hauptsächlich zu dem Zwecke, solche Lustbarkeiten zu
veranstalten, zusammengetreten ist. Z3
Unterliegt nicht die Veraustaltung der Lustbarkeit, sondern nur der Text der
aufzuführenden Singspiele, Gesanges- oder deklamatorischen Vorträge, theatralischen
Vorstellungen u. s. w. der ortspolizeilichen Genehmigung, so findet die Tarifstelle 39
keine Anwendung.
III. Form der Genehmigungen. In allen Fällen, in denen es nach dem zu
II. Gesagten zur Veranstaltung einer Lustbarkeit der ortspolizeilichen Genehmigung
bedarf, ist diese ansschließlich auf den durch die Ziff. 14 C. Nr. 1 Abs. 2 und 3 der
Bek. 13. Febr. 1896, betr. die Ausführung des Stempelstenerges. (S. 78 der amt-
lichen Ausgabe) und die Ziff. 45 Abs. 1 der Dienstvorschriften 14. Febr. 1896
(S. 157 a. a. O.), vorgeschriebenen und mit dem Vordruck „Genehmigung zur Ber-
anstaltung einer ustbarseit- versehenen Stempeldruckbogen zu ertheilen.
Zur Verminderung des Schreibwerks ist es statthaft, die Stempeldruckbogen durch
Benutzung eines entsprechenden Kautschukstempels, unter Anwendung eines metallo-
graphischen Vervielfältigungsverfahrens oder auf irgend eine Art durch Aufdruck zu
Formularen herzurichten. Die Herstellung von Formularen dadurch, daß Formulare
auf die Stempeldruckbogen aufgeklebt werden, ist unzulässig.
Die Ertheilung der Genehmigung in irgend einer anderen Form, namentlich
in nicht schriftlicher Form, durch Eintragung in sog. Kontrollbücher, durch Ge-
nehmigungen auf Schriftstücken, zu denen Stempelmarken entwerthet find u. s. w.,
ist nicht gestattet.