Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

868 Abschnitt XXXVI. Ausf. Anw. zur Landgemeinde-Ordnung. 
nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer im Falle ihres Einver- 
ständnisses durch Beschluß des Kreisausschusses; auf Beschwerde gegen diesen Beschluß 
hat endgültig der Bezirksausschuß zu beschließen. Wenn ein Einverständniß der Be- 
theiligten nicht zu erzielen ist, so kann das Einverständniß durch Beschluß des Kreis- 
ausschusses ersetzt werden, sofern das öffentliche Interefse dies erheischt, ohne daß der 
Kreisausschuß bei Beurtheilung der Frage des öffentlichen Interesses hier an be- 
stimmte Voraussetzungen gebunden wäre; auf Beschwerde gegen den Beschluß des 
Kreisausschusses beschließt endgültig der Bezirksausschuß. Die Berbandsbildung selbst 
erfolgt in dem Falle mangelnden Einverständnisses der Betheiligten nicht durch die 
Beschlußbehörden, sondern durch den Oberpräsidenten (. 128). Demnach ist der 
Oberpräsident nicht befugt, in den Fällen, in welchen ein Einverständniß der Bethei- 
ligten über die Bildung eines Zweckverbandes nicht zu erzielen ist, eine solche Ver- 
bandsbildung im Widerspruche mit den Beschlüssen der Selbstverwaltungsbehörden 
durchzuführen; es steht ihm aber auch entgegen solchen Beschlüssen die Befugniß zu, 
die Verbandsbildung abzulehnen. 
Hinsichtlich der Auseinandersetzung unter den Betheiligten, welche der Verbands- 
bildung nachzufolgen hat (. 130), gelten im Wesentlichen die oben unter 4 ange- 
gebenen Grundsätze. — — — 
6. Betheiligung von Stadtgemeinden bei den unter 2, 3, 4, 5 erörterten Maßnahmen 
(§. 2 Nr. 6, S. 138). 
Die erörterten Maßnahmen finden auch auf Stadtgemeinden Anwendung, wenn 
es sich darum handelt, Landgemeinden und Gutsbezirke oder abgetreunte Theile der- 
selben mit einer Stadtgemeinde zu vereinigen, oder Theile einer Stadtgemeinde ab- 
zutrennen und mit Landgemeinden oder Gutsbezirken zu vereinigen oder zu nenen 
ländlichen Bezirken zu gestalten, oder Stadtgemeinden mit Landgemeinden und Guts- 
bezirken zu Zweckverbänden zu vereinigen. Hierdurch erleiden die Borschriften in 
§. 2 der Städte-Ordnung vom 30. Mai 1853 von Abs. 3 ab gewisse Abänderungen, 
während es bezüglich der Einverleibung bezirksfreier Grundstücke in den Bezirk einer 
Stadtgemeinde bei der bestehenden Vorschrift bewendet (§. 2 Nr. 1; §. 2 Abs. 2 der 
Städte-Ordnung und §F. 8 des Zust. Ges. vom 1. August 1883). 
In allen obenbezeichneten Fällen sind die leitenden Grundsätze und ist das Ber- 
fahren im Wesentlichen das gleiche wie oben unter 2, 3, 4, 5 angegeben, abgesehen 
davon, daß an Stelle des Landrathes der Regierungspräfident, an Stelle des Kreis- 
ausschusses der Bezirksausschuß tritt und von den sonstigen Abänderungen in Betreff 
der Zuständigkeit, welche sich aus der Natur der Sache und aus den besonderen Bor- 
schriften in S. 2 Nr. 6 und §. 138 ergeben. — — — 
7. Umwandlung von Stadtgemeinden in Landgemeinden und umgekehrt 
(§. 1 Abs. 2). 
— — — In den ößtlichen Provinzen ist eine Reihe großer Landgemeinden mit 
hoher Einwohnerzahl vorhanden, welche einen vorwiegend städtischen Charakter haben. 
Für solche Orte ist die Landgemeinde-Ordnung vielfach nicht die angemessene Form 
zur Eutfaltung des kommnnalen Lebens; wie sie ihrem ganzen Wesen nach Städte 
find, so würde sich die städtische Berfaffung nicht nur weit mehr für sie eignen, son- 
dern sie würden durch Einführung derselben eine Förderung in ihren wichtigsten 
Lebensinteressen erfahren. Andererseits kommen in den östlichen Provinzen viele kleine 
Städte mit nur geringer Einwohnerzahl vor, welche, vorzugsweise auf den Landban 
angewiesen, an dem größeren Berkehr nur in geringem Maße Theil nehmen, somn 
einen dorfähnlichen Charakter haben. Solchen kleinen Städten vermag die städtische 
Verfassung keine Bortheile zu gewähren, da sie der ihren Verhältnissen entsprechenden 
Einfachheit entbehrt und unnütze Kosten verursacht. , 
Unter der gegenwärtigen Gesetzgebung hat sich der Umwandlung kleiner Städte 
in Landgemeinden — abgesehen von dem ungeordneten, unsicheren Zustande der länd- 
lichen Gemeindeverfassung — namentlich das Bedenken entgegengestellt, daß dadurch 
eine Anzahl der bisher Stimmberechtigten, nämlich die nicht mit einem Wohnhause 
angesessenen Gemeindebürger, das Bürgerrecht verlieren würden. Diese Schwierigkeit 
erscheint unnmehr durch die Bestimmungen im §. 41 beseitigt. Auch wird die An-
	        
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