Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

872 Abschnitt XXXVI. Ausf. Anw. zur Landgemeinde-Ordnung. 
III. Der Gemeindevorsteher und die sonstigen Gemeindebeamten. 
1. Wahl des Gemeindevorstehers: Geschäftskreis. 
Der Gemeindevorsteher wird von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) 
aus der Mitte der Gemeindeglieder gewählt. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel 
nach näherer Bestimmung der §§. 76 bis 83. Die Wahlperiode beträgt sechs Jahre, 
kann aber, und zwar auch bei den zur Zeit des Inkraftretens der Landgemeinde- 
Ordnung im Amte befindlichen Gemeindevorstehern, nach Ablauf der ersten drei Jahre 
auf zwölf Jahre erstreckt werden (. 75 Abs. 1). Die Wahl bedarf sowohl bei der 
ersten Wahl als bei einer Berlängerung der Wahlperiode der Bestätigung durch 
den Landrath, welche nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden 
kann (§. 84). 
Es ist, erforderlichenfalls von Auffichtswegen, darauf zu halten, daß rechtzeitig, 
vor Ablauf der Wahlperiode, die Neuwahl vorgenommen und deren Bestätigung herbei- 
geführt wird, da nach Ablauf der Wahlperiode die Amtseigenschaft des früheren Ge- 
meindevorstehers nicht mehr besteht, Amtshandlungen deshalb nicht mehr von ihm, 
sondern nur von seinem Stellvertreter vorgenommen werden können. 
Der Gemeindevorsteher führt die laufende Verwaltung der Gemeinde; der Kreis 
seiner Geschäfe ist hauptsächlich in 8. 88 bestimmt. Er ist Organ des Amtsvorstehers 
(98. 90, 91). 
2. Schöffen. 
Dem Gemeindevorsteher stehen behufs seiner Unterstützung und Vertretung die 
Schöffen zur Seite, deren Zahl in der Regel zwei beträgt, aber durch Ortsstatut bis 
auf sechs vermehrt werden kann. Wo die Zahl der Schöffen nach der bisherigen Orts- 
verfassung eine größere als zwei gewesen ist, aber die Zahl von sechs nicht übersteigt, 
verbleibt es hierbei bis zu anderweiter ortsstatntarischer Festsetzung. Ortsstatuten oder 
Ortsverfassungen. nach welchen die Zahl der Schöffen mehr als sechs beträgt, treten 
außer Kraft. Bei der Frage, ob eine solche anderweite statutarische Regelung in An- 
regung zu bringen sein wird, ist zu berücksichtigen, daß die größere Zahl der Schöffen 
auch eine entsprechende Bermehrung der Zahl der Gemeindeverordneten bedingt. Be- 
trägt die Zahl nur zwei, so ist noch ein stellvertetender Schöffe zu wählen. Bater und 
Sohn sowie Brüder dürfen nicht gleichzeitig Gemeindevorsteher und Schöffen sein. 
Die Schöffen werden auf sechs Jahre gewählt; wegen der Wählbarkeit, der Wahl und 
der Bestätigung gelten im Uebrigen die in Betreff des Gemeindevorstehers gegebenen 
Bestimmungen (§. 74 Abs. 2 bis 5, §. 75). 
Die Bertretung des Gemeindevorstehers erfolgt in der Regel durch den 
dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter durch den dem Lebensalter nach 
ältesten Schöffen. 
In Betreff der Ansführung der Gemeindebeschlüsse über die Benutzung des Ge- 
meindevermögens hat der Gemeindevorsteher eine Berathung mit den Schöffen eintretem 
zu lassen (ss. 113, 88 Abs. 4 Nr. 3). 
3. Ehrenamtliche Stellung. 
Das Amt des Gemeindevorstehers und der Schöffen ist ein Ehrenamt, für das 
keine Besoldung gewährt wird. Der Gemeindevorsteher hat den Ersatz seiner baaren 
Auslagen und die Gewährung einer mit seiner Mühewaltung in billigem Verhältniffe 
stehenden Entschädigung zu beanspruchen. Den Schöffen kommt in der Regel nur der 
Ersatz ihrer baaren Auslagen zu (S. 86). 
4. Besoldete Gemeindevorsteher. 
In Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern kann die Gemeindevertretung 
die Anstellung eines besoldeten Gemeindevorstehers beschließen, dessen Wahl auf zwols 
Jahre erfolgt und nicht auf die Gemeindeglieder beschränkt ist (S. 75 Abs. 2). Die 
Anwendung dieser Bestimmung wird sich, da dem Amte des Gemeindevorstehers der 
Charakter eines unbesoldeten Ehrenamts thunlichst zu erhalten ist, nur in dem Fa. 
empfehlen, wenn der Umfang der Gemeindeverwaltung ein derartig gesteigerter. ia, 
daß er die Kräfte einer ehrenamtlichen Verwaltung übersteigt und die Anstellung erne 
Berufsbeamten unentbehrlich erscheinen läßt. Liegt jedoch dieser Fall vor, so “— 
auch die Aufgabe der Aufsichtsbehörde, diese Einrichtung in den bezüglichen für 
meinden in Anregung zu bringen, falls diese sich nicht aus eigenem Antriebe hier 
entscheiden.
	        
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