892 Abschnitt XXXVI. Gemeinde-Ordnung für die Rheinprovinz.
é6 05. Jeder Wähler muss dem Wahlvorsteher mündlich und laut zu
Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will. Er hat so viele Per-
sonen zu bezeichnen, als zu wählen sind #).
Als erwählt ist derjenige zu betrachten, welcher die absolute Stimmenmehrheit
für sich hat. Ergiebt sich nicht eine absolute Mehrheit, so sind von denjenigen
Kandidaten, welche die meisten Stimmen für sich haben, so viele auf die engere
Wahl zu bringen, als die doppelte Zahl der noch zu Wählenden beträgt.
Wird auch hierbei nach zweimaligem Bersuchen keine absolute Mehrheit erreicht, so
entscheidet das Loos.
Fallen die meisten Stimmen in gleicher Zahl auf mehr Kandidaten, so ist unter
denselben zum Behuf der engeren Wahl eine Borwahl zu veranstalten, bei welcher die
relative Stimmenmehrheit entscheidet. Ergiebt die Vorwahl kein Resultat, so ent-
scheidet unter denen, welche in derselben gleiche Stimmen bekommen haben, das Loos
darüber 2), welche Kandidaten auf die engere Wahl zu bringen seien.
§. 56 (fortgefallen durch Art. 14 Abs. 2 Ges. 15. Mai 1856).
§. 57. Reklamationen?) gegen das Verzeichniß der Wahlberechtigten, welches bei
Ankündigung des Wahltermins öffentlich auszulegen ist, machen die Wahlhandlung
nur dann ungültig, wenn nachher eine solche Abänderung desselben verfügt wird,
durch welche der Gewählte die absolute Stimmenmehrheit verliert.
S. 58. Der Gemeinderath beschliesst über die Gültigkeit der Wahlen.
Einsprüche gegen die Gültigkeit sind innerhalb zwei Wochen nach Bekannt-
machung der Wahlergebnisse beim Bürgermeister anzubringen.
Der Beschluss des Gemeinderaths bedarf keiner Genehmigung oder Be-
stätigung von Seiten des Bürgermeisters oder der Aufsichtsbehörde.
Gegen denselben findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt,
welche auch dem Bürgermeister zusteht.
Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen Neuwahlen
vor ergangener rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden“).
5. 59. Wenn unter einzelnen Abtheilungen einer und derselben Gemeinde über
die besonderen Rechte derselben Streit entsteht, so wird hierüber nicht vom Gemeinde-
rath verhandelt, sondern jede betheiligte Abtheilung, wenn sie nicht mehr als zehn
Meistbeerbte enthält, durch die Versammlung der letztern, sonst aber durch fünf von
den Meistbeerbten aus ihrer Mitte zu erwählende Deputirte vertreten, welche unter
der Leitung des Bürgermeisters mit einander verhandeln und, falls keine Einigung zu
Stande kommt, zur Ausführung ihrer Ansprüche Bevollmächtigte ernennen. Diese
Deputirten stehen in Beziehung auf den Streitgegenstand in dem Berhältnisse des
Gemeinderathes, der Bevollmächtigte aber in dem Berhältnisse der ausführenden Be-
hörde (Ahschn. 4 Abth. 1 und 3)7).
g. 60 (ersetzt durch Art. 15 Ges. 15. Mai 1856).
Angelegenheiten, bei welchen mehr als eine, aber nicht alle Gemeinden
einer Bürgermeisterei betheiligt sind, gehören zum Geschäftskreise des Bürger-
meisters und der Bürgermeistereiversammlung, jedoch haben die Vertreter der
nicht betheiligten Gemeinden nicht mit zu beschliessen ").
Wenn Gemeinden aus verschiedenen Bürgermeistereien bei einer An-
1) Versr- 5. 14 Abs. 2 Ges. 15. Mai 1856. Nach §F. 9 der Anw. 3. Sept. 1845
sollte die III. Abtheilung zuerst wählen. Die einzelnen Abtheilungen haben den
Wahlakt nach einander vorzunehmen.
Die Bezeichnung des zu Wählenden muß so Feschchen, daß jeder Zweifel über
seine Identität ausgeschlossen ist, E. O. V. XXVIII. 18.
2) Der Wahlleiter hat zu bestimmen, wer das Loos ziehen soll.
3) Vergl. §#§. 27, 1, 28 Zust. Ges.
4) Zust. Ges. §5. 27 Abs. 1 und 2, 28.
") Vergl. hierzu §. 34 Abs. 1 Nr. 3 Zust. Ges., durch den §. 59 entsprechend
modifizirt wird.
6) Art. 15 bezieht sich auf diejenigen Fälle nicht, in denen es sich darum handelt,
ob und nach welchen Gkundsätzen ein gemeinschaftliches Eigenthum zweier Gemeinden
zur Theilung, oder in welcher Weise sonst etwa entgegenstehende, der richterlichen Be-
urtheilung unterliegende Privatinteressen zweier Gemeinden zum Answage zu bringen
und, Res. 29. Juni 1872 (M. Bl. S. 137).