Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

Abschnitt XXXVI. Gemeinde-Ordnung für die Rheinprovinz. 893 
gelegenheit betheiligt sind, so erfolgt deren Berathung) durch eine aus den 
Bürgermeistereivertretern der betreffenden Gemeinden gebildete Versammlung. 
Der Vorsitz dieser Versammlung und die Verwaltung solcher Angelegen- 
heiten steht demjenigen Bürgermeister zu, in dessen Bezirke der Gegeustand 
des gemeinsamen Interesses liegt, und wo dies nicht ausreicht, dem älteren 
an Dienstjahren. 
Vierter Abschnitt. Von der Verwaltung der Gemeinden. 
Erste Abtheilung. Von den Rechten und Verhältnissen des Gemeinderathes. 
§. 61. Der Gemeinderath hat die Vollmacht und Verpflichtung, für die Ge- 
meinde in ihren Gemeindeangelegenheiten nach Ueberzeugung und Gewissen ver- 
bindende Beschlüsse zu fassen. Ueber andere Angelegenheiten kann der Gemeinderath 
nur dann berathen, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch 
Verfügung der Aufsichtsbehörde an ihn gewiesen sind. 
§. 62. Der Gemeinderath?:) kann nur dann zusammentreten, wenn er dazu von 
dem Bürgermeister oder mit dessen Genehmigung von dem Vorsteher zusammenberufen 
worden ist. Auf den Antrag des vierten Theils der Mitglieder, und wenn ihre Zahl 
weniger als zwölf beträgt, auf den Antrag von wenigstens drei Mitgliedern, ist der 
Bürgermeister verpflichtet, den Gemeinderath entweder selbst zusammenzuberufen oder 
den Vorsteher zu dessen Zusammenberufung anzuweisen. Die Zusammenberufung er- 
folgt schriftlich, unter Angabe der zur Berathung kommenden Gegenstände, und, mit 
Ausnahme dringender Fälle, mindestens drei Tage vorher2). Es können auch regel- 
mäßige Sitzungstage durch den Bürgermeister, nach Anhörung des Gemeinderaths, 
ein für allemal bestimmt werden; die Gegenstände der Berathung sind aber auch dann, 
wenn dieselben nicht dringend sind, wenigstens drei Tage vor der Sitzung den Mit- 
gliedern bekannt zu machen. Jedes Mitglied des Gemeinderaths hat das Recht, An- 
träge und Vorschläge über die Angelegenheiten der Gemeinde zur Berathung zu 
bringen. Dieselben müssen jedoch, wenn sie nicht vorher dem Bürgermeister und durch 
diesen drei Tage vor der Sitzung den übrigen Mitgliedern mitgetheilt sind, auf den 
Antrag des Bürgermeisters oder auch nur Eines Mitgliedes bis zur nächsten Sitzung 
ausgesetzt werden. 
§. 63. Der Bürgermeister führt im Gemeinderath den Vorsitz, und hat bei 
Stimmengleichheit die entscheidende Stimme, sonst aber, wenn er nicht zugleich Ge- 
meindevorsteher ist, kein Stimmrecht"). Er kann jedoch in geeigneten Fällen dem 
Vorsteher den Vorsitz übertragen. Wenn über den Haushalts-Etat und über die Ab- 
nahme der Gemeinderechnung berathen wird, muß er stets selbst den Vorsitz führen. 
Der Vorsteher hat immer volles Stimmrecht, und wenn er den Vorsttz führt, bei 
Stimmengleichheit die entscheidende Stimme. 
Der Gemeinderath kann einen Protokollführer aus seiner Mitte wählen. 
§. 64. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Die Beschluss- 
fähigkeit des Gemeinderaths tritt ein, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder 
gegenwärtig ist #). 
Wenn der Gemeinderath, nachdem er zur Berathung ein und desselben Gegen- 
standes zwei Mal vorschriftsmäßig zusammenberufen ist, beide Male nicht in beschluß- 
fähiger Zahl erscheint, so beschliesst an Stelle desselben der Kreisausschuss?). 
Wer nicht mitstimmt oder die Unterschrift des Protokolls verweigert, ist als nicht er- 
1) Berathung heißt hier soviel, wie Beschlußfafsung, Res. 22. Jan. 1874 
(M. Bl. S. 73). Z 
2) Die Sitzungen sind mangels gesetzlicher Bestimmung darüber nicht öffentlich. 
Wegen Beröffentlichung der gemeinderäthlichen Verhandlungen vergl. K. O. 19. April 
1844 (G. S. S. 101). !45 
2) Diese Ladung ist unerläßlich; ob aber ein Mitglied ihr folgen will, oder nicht, 
ist seine Sache, E. O. B. XXIV. 96. 
4) Er vertritt den Gemeinderath nach außen und besonders im Verwaltungsstreit- 
verfahren, falls nicht ein besonderer Vertreter bestellt wird, Erk. O. V. G. 7. Okt. 1890 
und 3. Juli 1895 (bei Harnisch S. 118). 
5) Art. 16 Ges. 15. Mai 1856. 
6) Zust. Ges. §. 33, -. Rechtsmittel L. V. G. §. 121. 
 
	        
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