894 Abschnitt XXXVI. Gemeinde-Ordnung für die Rheinprovinz.
schienen zu betrachten. Es kann aber jedes Mitglied des Gemeinderaths verlangen,
daß seine abweichende Anficht in das Protokoll aufgenommen werde.
§. 65. Wer bei einer Angelegenheit ein von dem Interesse der Gemeinde ver-
schiedenes Interesse hat, darf an der Berathung keinen Theil nehmen. Kann wegen
persönlicher Betheiligung der Mitglieder eine beschlußfähige Versammlung nicht
gehalten werden, so beschliesst der Kreisausschuss an Stelle des Gemeinde-
raths 1). Diese Bestimmung findet insonderheit alsdann Anwendung, wenn Streit
darüber entsteht, ob ein Gegenstand Eigenthum der Gemeinde oder der einzelnen Ge-
meindeglieder ist.
8. 66. Die Beschlüsse des Gemeinderaths und die Namen der dabei an-
wesend gewesenen Mitglieder sind in ein besonderes Buch einzutragen. Sie
werden von dem Vorsitzenden und wenigstens von drei Mitgliedern unter-
zeichnet:). Die Ausfertigungen solcher Beschlüsse, welche Urkunden beigefügt werden,
oder als Autorisation für den Bürgermeister zu einzelnen Amtshandlungen dienen
sollen (§. 102), müssen von dem Borsitzenden und zwei Mitgliedern des Gemeinde-
raths unterschrieben werden. Letztere werden dazu alljährlich vom Gemeinderath aus
seiner Mitte gewählt.
§. 67. Alle Beschlüsse des Gemeinderaths müssen dem Bürgermeister, insofern
er nicht selbst den Vorsitz geführt hat, sogleich vorgelegt werden.
§5. 68. Der Gemeinderath kann zur Vorbereitung der zur Berhandlung kom-
menden Gegenstände Kommissionen aus seiner Mitte ernennen. Dem Bürgermeister
steht es frei, auch in diesen Kommissionen den Borsitz zu führen.
§. 649. Den Meistbeerbten und Gemeindeverordneten ist es nicht erlaunbt, irgend
eine Bergeltung für die Ausübung ihres Berufes anzunehmen; nur baare Auslagen
werden ihnen erstattet.
§. 70 (ersetzt durch Art. 18 Ges. 15. Mai 1856).
Der Versammlung des Gemeinderaths mössen alle Mitglieder regelmässig
beiwohnen. Ein Mitglied, welches die Versammlung dreimal hintereinander
ohne genügende Entschuldigung") versäumt oder wiederholt durch ungebühr--
liches Benehmen Ruhe und Ordnung stört und den Zuruf des Vorsitzenden
zur Ordnung nicht beachtet hat, kann durch einen Beschluss des Gemeinde-
raths, welcher keiner") Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliegt, aus dem
Gemeinderathe ausgeschlossen werden.
Gegen den Beschluss findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt,
welche auch dem Bürgermeister zusteht ?).
§. 71 (aufgehoben durch Art. 19 Ges. 15. Mai 1856).
Von der Auflösung einer Gemeinde-Vertretung.
(Art. 28 Ges. 15. Mai 1856.)
Durch Königliche Verordnung kann auf den Antrag des Staatsministeriums
ein Gemeinderath, sofern derselbe nicht aus sämmtlichen stimmberechtigten
Gemeindegliedern besteht, aufgelöst werden. Es ist sodann eine Neuwabl an-
zuordnenp, welche binnen 6 Monaten, vom Tage der Auflösungsverordnung an,
erfolgen muss. Derselben unterliegen nur die gewählten Mitglieder. Bis zur
Einführung der neugewählten Mitglieder beschliesst an Stelle des Gemeinde--
raths der Kreisausschuss ").
1) Zust. Ges. §. 33, 2.
2) Art. 17 Ges. 15. Mai 1856.
8) Die Entschuldigung braucht nicht bei dem Gemeinderathe vorgebracht zu werden,
wenn sie nur sachlich gerechtfertigt ist. Liegt also ein Emschuldigungsschreiben nicht
vor, so muß der Ausgebliebene zunächst über die Gründe des Nichterscheinens
gehört werden. Bergl. Erk. O. B. G. 5. Juli 1892 und 25. Mai 1895 (bei
Harnisch S. 126).
4) Zust. Ges. §. 27 Abs. 1 Nr. 3 und §. 28 Absf. 1.
5) Zust. Ges. §. 28 Abs. 2. Vergl. Rh. Kr. O. §. 25 bezw. SF. 8.
s) Zust. Ges. 8. 33, 3.