Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die Prov. Westfalen. 911
ihren übrigen Verhältnissen nach, zur Theilnahme am Gemeinderecht befähigt sein,
so ist die Ausühung dieses Rechts durch Stellvertreter dahin gestattet, daß eine Ehe-
frau durch ihren Ehemann, eine unverheirathete oder verwittwete Frauensperson durch
einen stimmberechtigten Eingesessenen, eine unter väterliche Gewalt stehende Person
durch den Vater und eine unter Bormundschaft stehende Person durch den Vormund
vertreten werden kann!). Der Ehemann, Vater und Vormund muß, um zu
dieser Stellvertretung befugt zu sein, die im §. 15 Nr. I vorgeschriebenen Eigen-
schaften besitzen und seinen Wohnstitz in der Gemeinde haben.
Außer dieser Vertretung können die außerhalb der Gemeinde wohnenden Ge-
meinde-Mitglieder, sofern sie mindestens zu 15 Mk. an Grund- und Gebäudestener
von ihrer Besitzung veranlagt sind:), sich durch ein stimmberechtigtes Mitglied der
Gemeinde vertreten lassen; hierzu sind auch die in §. 16 erwähnten juristischen oder
außerhalb des Gemeindebezirks wohnenden höchstbesteuerten Personen berechtigt.
§. 21. (Aufgehoben durch §. 23 Abs. 1 Westf. Kr. O.) 6
§. 22. Wer in Folge rechtskräftigen Erkenntnisses der bürgerlichen Ehre ver-
lustig geworden, verliert dadurch auch das Gemeinderecht (§. 15) und die Befähigung
wähbrend der im Urtheile bestimmten Zeit dasselbe zu erwerbens).
Ist gegen ein stimmberechtigtes Gemeinde-Mitglied wegen eines Verbrechens oder
eines Vergehens, welches bie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge
haben kann, das Hauptverfahren eröffnet"), oder ist derselbe zur gerichtlichen Haft
gebracht, so ruht die Ausübung des ihm zustehenden Gemeinderechts so lange, bis die
gerichtliche Untersuchung beendigt ist.
Verfällt ein stimmberechtigtes Gemeinde-Mitglied in Konkurss), so ruht sein
Gemeinderecht bis zur Beendigung des Verfahrens; die Befähigung dasselbe wieder-
zuerlangen, kann ihm nach Beendigung des Konkursverfahrens von den Gemeinde-
behörden verliehen werden, jedoch dem Handelsmann, Schiffsrheder oder Fabrikbesitzer
erst nach erfolgter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Gemeinderecht geht
verloren, sobald eines der zur Erlangung desselben vorgeschriebenen Erfordernisse bei
dem bis dahin dazu Berechtigten nicht mehr zutrifft.
§. 23. Die Gemeinde wird in ihren Angelegenheiten durch die Gemeinde-
Versammlung und durch den Gemeindevorsteher vertreten; der Gemeindevorsteher ist
die ausführende Behörde.
§. 24. Die Gemeindeversammlung besteht, wenn die Zahl der stimm-
berechtigten Gemeinde-Mitglieder achtzehn übersteigt, aus Gemeindeverordneten, inso-
fern bei einer größeren Anzahl stimmberechtigter Gemeinde-Mitglieder nicht
durch das Gemeinde-Statut die Bildung einer gewählten Gemeindevertretung ausge-
schlossen wird.
§. 25. 1. Wo die Gemeindeversammlung aus sämmtlichen stimmberechtigten
Gemeinde-Mitgliedern besteht, soll den Besitzern aller derjenigen Güter, welche
mindestens zu 225 Mark Grund- und Gebäudesteuer vom Staate veranlagt sind,
im Verhältnisse des Umfanges ihres Besitzthums zu dem der übrigen stimmberechtigten
Gemeinde-Mitglieder eine größere Anzahl von Stimmen nach näherer Bestimmung
des Gemeinde-Statuts beigelegt werden ");
2. wo eine Betheiligung der nicht mit einem Wohnhause angesessenen einkommen--
steuerpflichtigen Einwohner an dem Stimmrecht statifindet (§. 15), darf ihnen höchstens
ein Drittel der Stimmen in der Gemeindeversammlung beigelegt werden; die näheren
Festsetzungen hat das Gemeinde-Statut zu treffen.
§. 26. Die Gemeindevertretung besteht aus sechs bis achtzehn gewählten
Gemeindeverordneten, deren Wahl auf je sechs Jahre erfolgt. Die Zahl derselben in
den einzelnen Gemeinden wird durch das Gemeinde-Statut festgesetzt.
Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der gewählten Gemeindeverordneten aus,
die Ausscheidenden find wieder wählbar. Die das erste und zweite Mal Aus-
1) Bergl. E. O. B. XXVIII. 140. .
2)§.bsGei.I-4.·Juli18933wegkaAufhebungdrretter.Stqatssteuem
«)Bergl.§§.32ss.R.Str.«-.G.B.
«)—Bergl-.§§:si168,·175,:196,·197,.201.-202,-«.259.»Str.·P..O«
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direkter Staatsstenern.