922 Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die Prov. Westfalen.
Rechnungswesens, so wie der öffentlichen Angelegenheiten der den Gemeinden gleich-
gestellten Güter; alle örtlichen Geschäfte in Landesangelegenheiten, soweit hierzu nicht
besondere Behörden bestellt find. In Betreff der allgemeinen Aufsicht über die
Verwaltung der Angelegenheiten der Landgemeinden und Gutsbezirke (§. 41)
ist der Amtmann das Organ des Landraths als Vorsitzenden des Kreisaus-
schusses #).
Der Amtmann ist zugleich Hilfsbeamter der gerichtlichen Polizei und kann mit
der Funktion der Amts-Anwaltschaft beauftragt werden.
§. 75. Das Amt wird in seinen Kommunal-Angelegenheiten (§. 5) durch die
Amtsversammlung vertreten. Diese ist in denjenigen Aemtern, welche nur aus
einer Gemeinde bestehen, von der Gemeindeversammlung nicht verschieden; in den
übrigen Aemtern wird sie gebildet:
1. aus den Vorstehern der zum Amte gehörenden Gemeinden und selbständigen
Gutsbezirke, 2. aus gewählten Amtsverordneten, von denen aus jeder Gemeinde
mindestens einer von der Gemeinde-Versammlung zu wählen ist. Die Zahl der aus
den Gemeinden zu wählenden Mitglieder der Amtsversammlung und der den
Vorstebern selbständiger Gutsbezirke in der Amtsversammlung einzuräumenden
Stimmen ist mit besonderer Rücksicht auf die Einwohnerzahl und Steuerkraft
durch das Amtsstatut festzusetzen 2).
§. 76. Der Amtmann ist stimmberechtigter Vorsitzender der Amtsversammlung.
Alles das, was vorstehend in Betreff der Gemeinde-Versammlung und deren Be-
schlüsse bestimmt worden ist (SS. 31—37, 50, 51, 53, 55), gilt auch von der Amts-
versammlung. Ebenso finden hinsichtlich der Amtseinkünfte, des Etats= und Rechnungs-
wesens der Aemter, so wie hinsichtlich der Urkunden, welche das Amt verpflichten
sollen, imgleichen der Prozeßvollmachten die dieserhalb für die Gemeinden ertheilten
Vorschriften Anwendung, hinsichtlich der gedachten Urkunden, imgleichen der Prozeß-
Vollmachten aber mit der Maßgabe, daß dieselben von dem Amtmann und dessen
Beigeordneten, oder stlatt des letzteren von einem Mitgliede der Amtsversammlung.
vollzogen werden müssen (85. 45 bis 49 und 65).
§. 77. Die einzelnen Gemeinden und selbständigen Güter tragen, falls sie sich
nicht über einen bestimmten Maßstab einigen, nach dem Verhältniß der direkten
Staatssteuern, ausschließlich der Steuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen, zu
den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Amtes bei.
Die Beiträge, welche von den Gemeinden zu leisten sind, sollen nicht auf die
einzelnen Gemeindemitglieder, sondern auf die Gemeinden, und in diesen nach deren
Verfassung auf die Einzelnen vertheilt werden.
§. 78. Ein jedes stimmfähige Gemeindemitglied ist verpflichtet, eine unbesoldete
Stelle in der Gemeinde Verwaltung oder -Vertretung anzunehmen, sowie eine an-
genommene Stelle mindestens 3 Jahre lang zu versehen.
Zur Ablehnung, oder zur früheren Niederlegung einer solchen Stelle, berechtigen
nur folgende Entschuldigungsgründe:
. anhaltende Krankheit;
Geschäfte, die eine häufige oder langdauernde Abwesenheit mit sich bringen;
ein Alter über sechszig Jahre;
die früher stattgehabte Verwaltung einer unbesoldeten Stelle für die nächsten
drei Jahre;
die Verwaltung eines anderen öffentlichen Amtes;
ärztliche oder wundärztliche Praxis;
sonstige besondere Berhältnisse, welche nach dem Ermessen der Gemeinde-
Versammlung eine gültige Entschuldigung begründen.
Wer sich ohne einen dieser Entschuldigungsgründe weigert, eine unbesoldete
Stelle in der Gemeinde-Berwaltung oder -Vertretung anzunehmen, oder die noch nicht
drei Jahre lang versehene Stelle ferner zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der
Verwaltung solcher Stellen thatsächlich entzieht, kann durch Beschluß der Gemeinde-
1) Westf. Kr. O. §. 29.
2) Westf. Kr. O. 8. 24. Alles, was in der W. L. G. O. in Betreff der Gemeinde-
Versammlung bestimmt ist, gilt auch sinngemäß für die Amtsversammlung, Res.
22. Nov. 1869 (M. Bl. 1870 S. 12) und E. O. V. XXVII. 12 (Amtseinnehmer
kann nicht Amtsverordneter sein).
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