Full text: Kriegserklärung und Friedensschluß nach deutschem Staats- und Völkerrecht.

18 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht. 
Art. 11 Abs. 2 verlangt in gewissen noch näher zu bestim- 
menden Fällen die Zustimmung des Bundesrats zur Kriegser- 
klärung: „Zur Kriegserklärung im Namen des Reiches ist die 
Zustimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daß ein 
Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.“ Eben- 
so bestimmt Abs. 3 desselben Artikels, daß für eine bestimmte 
Gruppe von Verträgen „zu ihrem Abschluß die Zustimmung des 
Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des 
Reichstages erforderlich ist. 1) 
Am zweckmäßigsten dürfte es sein, zunächst die Frage, welche 
Bedeutung der Mitwirkung des Bundesrats in Abs. 2 und 3 des 
Art. 11 zuhommt, einheitlich und von gemeinsamen Gesichts- 
punkten ausgehend zu erörtern.?) 
Meiner Ansicht nach läßt sich das erwähnte Mitwirkungs- 
recht des Bundesrates allgemein in folgenden Sätzen charakter- 
isieren. 
Aue der Natur eines Staates als einer Gesamtpersönlichkeit 
folgt, daß er nur durch seine Organe, durch Menschen, handeln 
kann. Insbesondere wird der Wille der Gesamtperson durch den 
Willen ihrer Organe gebildet. Die endgültige Kompetenzrege- 
lung, sowie insbesondere die Frage, welche Organe überhaupt 
berufen sind, den Willen des Staates im Einzelfalle zu bilden 
und zu erklären, bestimmt und beantwortet die Verfassung eines 
jeden Staates. 3) Aber nur innerhalb seiner Kompetenz kann 
jedes Organ den Staatswillen bilden bezw. bei Bildung desselben 
mitwirken. Jede die Kompetenz überschreitende Willenserklä- 
rung eines Organs ist keine Willenserklärung des Staates. 
So ist auch der Kreis der Handlungen, welche das Staats- 
oberhaupt einer konstitutionellen Monarchie mit Rechtswirkung 
vornehmen kann, im Gegensatz zur unbeschränkten Stellung des 
absoluten Herrschers, ein beschränkter. Sein Wille deckt sich nicht 
  
1) Ob unter diese beschränkende Bestimmung auch die Friedensverträge fallen, 
wird im 8 61 gezeigt werden. 
2) Die bisherige Literatur begeht m. E. den Fehler, daß sie diese Frage der 
Legitimationsbeschränkung nicht allgemein crörtert und keine gemeinsamen Gessichts- 
punkte hierfür aufstellt, sondern lediglich bei Besprechung der Staatsverträge auf diese 
Frage eingeht, während doch dieselbe Frage ebensogut zu lösen ist bel den einseitigen 
„völkerrechtlichen“" Willensaklen des Staates wie z. B. bei der Kriegserklärung. 
*) Vgl. Jellinek, Die rechtl. Natur der Staatenverträge S. 52.
	        
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