Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

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die große Mehrzahl ist sehr arm, die wenigen 
noch wirklich reichen Leute wissen selbst nicht, 
was sie besitzen, wollen auch nicht mit der 
Sprache heraus, wenn man sie nach ihrem 
Besitzstande befragt. Der reichste Mann im 
Lande ist ein gewisser April im großen Karas- 
mehrere Tansend Schafe und Ziegen und über 
1000 Rinder. Er kann das Vieh natürlich 
Viehwächter auf den Außenposten werden nie 
kontrolirt, sollen auch nach Belieben zu ihren 
Gunsten davon verkaufen. Wer in der Nach- 
barschaft — und diese umfaßt hier einen weiten 
Umkreis — Hunger hat und nichts, ihn zu 
stillen, geht zu April. Letzterer lebt wie jeder 
andere Namaqua von Fleisch und Milch und 
geht nur vielleicht etwas besser gekleidet wie 
die Uebrigen. Kaffee, Mehl, Tabak und alle 
dergleichen Genüsse haben auch die reichen 
Leute nur zeitweise im Hause. Sie möägen 
geung davon kaufen, aber bald ist es von der 
Menge ihrer vielen Gäste verzehrt. Das ist 
der Kommunismus. 
Den Hauptreichthum bildeten früher die 
Straußenfedern, daneben im nördlichen Theil 
das Elfenbein; mit dem Ruin des Wildstandes 
sind auch diese Artikel verschwunden. Daß die 
Noth erfinderisch macht, trifft auch hier zu. 
Die zahlreichen periodischen Flußläufe des 
Landes sind meist von schmalen Waldstreifen 
eingefaßt. Den Hauptbestand dieser Wald- 
streisfen bildet der Dornbaum, ich glaube Acacia- 
horrida, ein schöner Baum. Dieser schwitzt 
ein Harz aus, welches im Handel gesucht ist. 
Bis vor drei Jahren schenkte Niemand hier 
diesem Produkt irgend eine Beachtung. Als 
die Noth immer höher stieg, fing man an, es 
einzusammeln und den Händlern anzubicten. 
Ich glaube, der alte Sinelaio war der erste 
Händler, welcher einen Versuch damit machte; 
es glückte, und heute ist es ein gesuchter Handels- 
artikel. So viel ich erfahren konnte, werden 
in diesem Jahre etwa 20 Tonnen à 2000 
Pfund aus Groß-Namaqualand davon ausge- 
führt, und dies ist nur ein sehr geringer Theil 
des im Lande vorhandenen Produktes. Die 
Gewinnung dieses Harzes, von den Namaqua 
Heira genannt, ist nicht ohne Schwierigkeiten 
und Lebensgefahr. Dieser Gummi muß in 
der trockenen Jahreszeit gesammelt werden, 
denn der Regen wäscht ihn ab und entwerthet 
ihn. Da haben denn die armen Sammler mit 
Durst zu kämpfen, da keine Brunnen im Lande 
vorhanden sind; auch werden die Schlangen 
dabei oft gefährlich. 
Das Pfund Gummi wird im Landc mit 
3 bis 6 Pence, also gegen 50 Pfennig, an 
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der Küste mit 5 bis 7 Pence, in Kapstadt mit 
9 Pence, in England mit 12 Pence bezahlt. 
Der Transport nach der Küste ist heute sehr 
theuer, der Weg über Kapstadt verderblich; 
bei besseren Verkehrseinrichtungen und direkter 
Verbindung mit Europa könnte dies ein nicht 
Gebirge, er soll über 100 Pferde besitzen, 
zu verachtender Handelsartikel werden. Bei 
den fabelhaft hohen Preisen aller Waaren im 
Luande, durchschnittlich 300 pCt. von Kapstadt- 
nicht alles auf einem Platze haben und die 
  
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preisen, erhalten die armen Sammler in der 
That sehr wenig dafür. Dies ermuntert nicht 
sehr zum Sammeln. 
Ein anderes, aber recht unbedentendes Pro- 
dukt, welches ausgeführt wird, sind gegerbte 
Wildfelle, in erster Linie das sehr schöne 
Leopardfell, dann Schakal, Silbersuchs, Luchs, 
Wildkatze. Silbersuchs, Luchs und Wildkatze 
würden schöne Pelzwaaren abgeben; das 
Schakalfell giebt nur Karossen, das sind große 
Decken, aus 20 bis 40 Fellen sauber zu- 
sammengenäht, doch werden die Karossen, ebenso 
wie Schaf= und Angorakarossen, nur von 
Bastards gefertigt, die Namaqua sind zu faul 
dazu und ziehen es vor, die einzelnen Felle 
zu verkaufen. 
Im Großen und Ganzen bilden nur die 
stetig sich vermindernden Heerden den Reich- 
thum der Leute und liefern seit etwa 10 Jahren 
den einzigen nennenswerthen Tauschartikel für 
den Handel. 
In Kapstadt schätzt man den Handel nach 
Walfischbai auf 30 000 Pfund Sterling, den 
nach Angra Pequena auf 10 000 Pfund 
Sterling Kapstädter Preis. 
Von den 30 000 Pfund Sterling des 
Handels nach Walfischbai entfällt ein kleiner 
Theil auf Groß-Namaqualand, namentlich auf 
Rehoboth und Umgegend, doch wurde bis vor 
Kurzem auch andererseits wieder Handel vom 
Süden nach Damaraland betrieben, indem 
Händler von Port Nolloth oder Angra Pequena 
langsam bis Damaraland hinaufzogen, so lange 
handelnd, bis Alles verkauft war. Ganz be- 
sonders sind hier die größeren Pferdehändler 
zu erwähnen, welche Pferde aus der Kap- 
Kolonie und dem Oranje-Freistaat nach 
Damaraland bringen und dort gegen Ochsen 
eintauschen. Sie führen einen Wagen mit und 
benutzen dies, um noch anderen Handel zu 
treiben. So dürfte sich das, was von Groß- 
Namagqualand nach Damaraland und ungekehrt 
gehandelt wird, gegenseitig aufheben. Dagegen 
muß man hervorheben, daß Angra Pequecna 
durchaus nicht die einzige Thür für Groß- 
Namaqualand ist. Man kann annehmen, daß 
von Port Nolloth aus über den Oranje-Fluß 
mindestens ebensoviel eingeführt wird, wie über 
Angra Pequena, und dieser Handel ist in Kap-
	        
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