Albert-Edward-See über den die beiden Seen
verbindenden Semliki und an den Nord= und
Westabhängen des 18 000 bis 19 000 Fuß
hohen Schneeberges Ruwenzori entlang, sodann
durch das zwischen dem Albert-Edward-See
und dem Viktoria-Nyanza gelegene Ankori, und
durchschneidet das bereits zur deutschen In-
teressensphäre gehörige Land Karagwe. Am
Urigi-See entlang marschirend, gelangt die
Expedition durch Ihangiro an den Viktoria-
Nyanza und von hier über die frühere Missions-
station der algierischen Missionare in Usambiro
nach Makolo, der Station des inzwischen leider
verstorbenen, verdienten Missionars Mackay
von der englischen Kirchen-Missionsgesellschaft,
wo ein reicher Vorrath von Gütern aller Art
die Expedition erwartete und wo dieselbe sich
vom 28. August bis zum 17. September auf-
hielt. Hier treffen auch die Missionare Pater
Schynse und Girault von der algierischen
Mission in Bukumbi am Südende des Vifktoria-
Sees ein, um die Offiziere der Expedition
mit mancherlei nothwendigen Ausrüstungsgegen-
ständen zu versehen. Wie aus dem Reise-
Tagebuch des Pater Schynse (vergl. Nr. 3
des „Deutschen Kolonialblattes“ vom 1. Mai
d. J.) bekannt ist, holten beide die Expedition
später in Ilungun wieder ein und begaben sich
mit derselben nach Bagamoyo.
Die Länder zwischen dem Viktoria-See nach
Bagamoyo beschreibt Stanley nur flüchtig,
weil er sie bereits früher geschildert hat. Er
hatte auch hier noch mit manchen Schwierig-
keiten zu kämpfen, welche ihm die kriegerischen
Eingeborenen in den Weg legten. Insbesondere
beklagt er sich über den hohen Tribut, welcher
J. B. in Usukuma erhoben wird.
„Als ich“, so schreibt er, „vor 15 Jahren
durch Usukuma zog, bezahlte ich nicht mehr
als 1u bis 12 Stücke Stoff an die Häupt-
linge und erhielt dafür einen guten Ochsen oder
ein paar Ziegen; seitdem haben aber ein
Missionar nach dem andern, Engländer wie
Franzosen, und arabische Karawanen Usukuma
zur Hochstraße nach dem Viktoria-See gemacht
und der Tribut ist von den Häuptlingen auf
300 Doti = 90 Pfund Sterling für jeden
Unterdistrilt erhöht worden. In drei solchen
Distrikten haben die französischen Missionare
900 Doti Stoffe 270 Pfund Sterling be-
zahlen müssen, 270 Pfund Sterling in drei
Tagemärschen! Mit diesen Stoffen lassen sich
Gewehre kaufen, welche die Eingeborenen noch
gewaltthätiger gegen die Missionare machen
werden, und die FJolge wird sein, daß in
wenigen Jahren die Häuptlinge kleiner Stämme
jeden Streisen Zeng, der sich bei den Kara-
—m
wanen befindet, verlangen und letztere so lange
aufhalten werden, bis Zahlung geleistet ist, wie
Usui eine Karawane von 150 Gewehrträgern
aufgehalten hat.“ Ueber Ugogo äußert er sich
wie folgt: „Keine anderen Eingeborenen ver-
stehen es so gut, wie die Reisenden zu ärgern
und zu belästigen sind. Ich war überzeugt,
daß Ugogo in sechs Monaten zu einem an-
muthigen, geordneten Lande und ohne große
Kosten und Mühen zu einem Segen für die
Bewohner und für Fremde gemacht werden
könnte; ich hätte es gern zu einer angenehmen
Hochstraße für den Verkehr der Menschen mit
weit entfernten Völkern gemacht, zu einem
Lande, das Neichthum für die Bewohner, Be-
haglichkeit für die Karawanen geboten hätte.
Bei der Ankunft in Ugogo erfuhr ich, daß mir
diese Hoffnung für immer algeschnitten sei.
Wenngleich meine besten Wünsche die Bestre-
bungen der Deutschen begleiten, beschleichen
meine Seele doch Zweifel, ob Ugogo jeues
schöne Land der Ruhe und freundlichen Auf-
nahme werden wird, zu welchem ich es in
meinen Träumen gemacht hatte.“ — Hoffen
wir, daß es uns trotz der Befürchtungen des
Herrn Stanley gelingen wird, auch in jenen
weiter im Innern gelegenen Gegenden ebenso
friedliche und geordnete Zustände herzustellen,
wie dies in den an der Küste gelegenen
Distrikten bereits gelungen ist!
Von größtem Interesse für uns ist selbst-
verständlich die Ansicht Stanleys über Emin
Pascha als Gouverneur und Verwaltungs-
beamten, sowie die Darlegung der Gründe,
warum Emin sich so lange halten konnte und
warum schließlich Menterei unter seinen Truppen
entstand. Stanleys eigene Augaben lassen
darauf schließen, daß die Ankunft der Entsatz=
Expedition nicht ohne Einfluß auf die Meuterei
war. Hatte doch schon ein Jahr vorher die
bloße Nachricht von ihrer Entsendung zu einer
Empörung Anlaß gegeben, da die Truppen
befürchteten, man wolle sie mit Gewalt nach
der Ostküste bringen oder ihnen den Führer
nehmen. Daß eine Verbindung mit den Mah-
disten von ihnen ursprünglich nicht geplant
war, beweist der hartnäckige Kampf gegen die
letzteren bei Dufilk. Daß Stanleys Urtheile
gegen Emin sowohl wie gegen andere in dem
Werke erwähnte Persönlichkeiten vielfach von
seindseliger Gesinnung sind und auf Glauben
nicht immer zu rechnen haben, wird dem Leser
nicht verborgen bleiben, zumal, wenn er sich
die leidenschaftliche und der Wahrheit so oft
wiederstrebende maßlose Art vergegenwärtigt,
die Stanleys jüngstes Auftreten in England
und seinen besonderen Haß gegen die deutschen
Kolonisationsbestrebungen kennzeichnet. Jeden-
falls wird man gespannt sein können, ob die