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über Sansibar mit der englischen Interessensphäre oder die jetzige deutsche Küste und Interessen-
sphäre zu erhalten, sie sich für die letztgedachte Alternative als die werthvollere entschieden
haben würden.
Die Festsetzungen im Artikel VIII des Abkommens enthalten die gegenseitige Ver-
pflichtung beider Mächte, in ihren innerhalb der Freihandelszone gelegenen Gebieten die auf
diese Zone bezüglichen fünf ersten Artikel der Generalakte der Berliner Konferenz, betreffend
die Handelsfreiheit, Freiheit der Schifffahrt 2c., anzuwenden. Der Artikel enthält also nichts
Neues und hat nur die Bedentung, daß auch nach einer etwaigen Aufhebung der Generalakte
der Berliner Konferenz oder von Theilen derselben die in Bezug genommenen Bestimmungen
für diejenigen deutschen und englischen Gebiete in Kraft bleiben, welche innerhalb der Freihandels-
zone liegen.
Auch über den Schutz der christlichen Missionen sowie über die religiöse Duldung und
Freiheit des Gottesdienstes und Unterrichts waren im Artikel 6 des I. Kapitels der General-
alte der Berliner Konferenz bereits Bestimmungen getroffen. Dieselben sind im Artikel X des
vorliegenden Abkommens auf alle Gebiete Ost-Afrikas ausgedehnt worden, welche einer
der beiden vertragschließenden Mächte gehören oder unter ihrem Einfluß stehen.
Die Verbindung mit dem Congostaat ist, wie bereits erwähnt, durch das vorliegende
Abkommen gesichert. Die Entwickelung, welche dieser junge Staat in den letzten Jahren ge-
nommen hat, die Bestrebungen, welche sich unter Leitung seines uns befreundeten Sonveräns
zum Zweck der Herstellung gesicherter Verhältnisse, der Schaffung von Verkehrswegen, der
Hebung des Handels und Ausbreitung der Civilisation im Allgemeinen geltend machen, die
guten Beziehungen, in welchen wir stets zu demselben gestanden haben, stellen ein gedeihliches
Zusammenwirken im Interesse beider Theile in gegründete Aussicht.
Soweit die Begründung unseres Abkommens in Bezug auf Afrika. Es ergiebt sich
daraus, daß die Interessen unserer Schutzgebiete durch dasselbe nicht geschädigt sind, daß den
wirthschaftlichen Bedürfnissen für die weitere Entwickelung des deutschen Kolonialbesitzes Rechnung
getragen ist und daß wir der Hoffnung leben dürfen, in Europa gemeinsam mit England un-
gestört auf die Erhaltung des Friedens hinwirken zu können, in Afrika aber deutsche und
englische Arbeit auf bestimmt abgegrenzten Gebieten Schulter an Schulter denselben civilisatorischen
Idcen dienen zu sehen.
Es soll dabei nicht verkannt werden, daß für dicjenigen Männer, deren Energie wir
unseren Antheil an Afrika verdanken, wie für viele von Denjenigen, welche mit warmem
Interesse die gefahr= und mühevollen Schritte Jener begleitet haben, der eine oder der andere
Wunsch unerfüllt geblieben ist. Das war bei dem Uebergang aus den Jahren des ersten Auf-
wallens kolonialer Ideen zu denen ernster, in ihren Zielen begrenzter Arbeit — ein Uebergang,
der uns in unserem jungen kolonialen Dasein nicht erspart werden konnte — unvermeidlich.
Die Kaiserliche Regierung durfte der Ueberzeugung leben, daß ein Ersatz für das, was in Afrika
an nationalen Motiven und Wünschen etwa unbefriedigt bleiben mochte, im Wiedergewinn von
Helgoland gefunden werden konnte.
Seit Menschenaltern hatten Deutsche aller Stämme schmerzlich empfunden, daß un-
mittelbar vor der Mündung der Elbe, der Weser und der Jade ein fremdes Reich Herr
deutschen Landes war, und daß ein echt deutscher Stamm, von seinem Heimathlande losgerissen,
trotz humanster Behandlung verkümmerte. War dieses Gefühl schon immer lebendig gewesen,
so steigerte es sich seit der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs zu einer Empfindlichkeit,
deren öffentliche Erörterung, weil sie schmerzlich berührte, äugstlich vermieden wurde. Die Akten
des Auswärtigen Amts geben Zeugniß von den zahlreichen Gesuchen und Vorschlägen, welche
seit den siebziger Jahren über die Wiedererwerbung von Helgoland gemacht wurden; die öffent-
liche Meinung bemächtigte sich von Zeit zu Zeit in Deutschland und England der Frage nach
der Abtretung der Insel an das Reich und die letztere ist wiederholentlich Gegenstand ernster