Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

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Erörterungen innerhalb der deutschen Regierungskreise gewesen. Abgesehen aber von diesem 
pretium uffectionis bedentet der Besitz der Insel Helgoland für Deutschland eine wesentliche 
Erhöhung seiner Wehrkraft zum Schutz der Küsten und Flußmündungen in der Nordsec. Es 
mag daran erinnert werden, wie im Jahre 1864 die Insel Helgoland den Operationen des 
österreichischen Admirals Tegetthoff Schwierigkeiten bereitete. Während des Krieges 1870 
hat das neutrale Helgoland der französischen Flotte das Ausharren vor unserer Küste erheblich 
erleichtert. Die Insel bot durch das Leuchtfener und durch die Möglichkeit, sich unter ihrem 
Schutz der Einwirkung von Wind und Wetter soweit entziehen zu können, als dies zu einer 
Reihe von Verrichtungen, deren eine moderne Flotte nicht entrathen kann, erforderlich ist, dem 
Feinde eine wesentliche Stütze während der stürmischen Jahreszeit. 
Deshalb erhoben sich schon während der Friedensverhandlungen im Jahre 1870 aus den 
betheiligten Kreisen Stimmen, welche auf die Wichtigkeit des Besitzes von Helgoland für Deutsch- 
land hindeuteten. So heißt es in einem Bericht des Vizeadmirals Jachmann vom 20. Sep- 
tember 1870: „In jedem Kriege bietet diese Jusel, selbst bei Beobachtung der unumgänglichen 
Neutralitätsregeln, dem Feinde einen sicheren Stützpunlt, während, wenn die Insel in unserem 
Besitz und gut befestigt wärc, eine feindliche Flotte sich schwerlich längere Zeit vor der Elbe 
und Weser halten könnte; auch für Wilhelmshaven ist die Insel von großer Wichtigkeit, da 
jedes Schiff, das die Jade ein= und ausläuft, von dort gesehen wird.“ 
Für England selbst ist der Besitz von Helgvland niemals werthvoll gewesen, und es 
war eine völlige Verkennung der thatsächlichen Verhältnisse, wenn früher hier und da der Besitz 
von Helgoland dem von Gibraltar gleichgeachtet worden ist. In deutschen Händen dagegen 
wird Helgoland die Vertheidigung unserer Nordseeküsten wie unseres deutschen Meeres erleichtern, 
eine feindliche Blockade aber mindestens sehr erschweren. Die Insel liegt eben anders zu 
Deutschland wie zu England und hat für beide Staaten einen sehr verschiedenen Werth. 
Auch erhält der zur Zeit im Bau begriffene Nord-Ostsee-Kanal erst durch ein deutsches 
Helgoland seinen vollen Werth für den Kriegsfall. Entzieht sich die nähere Darlegung solcher 
militärischer Motive naturgemäß der öffentlichen Besprechung, so kann hier doch bemerkt werden, 
daß, schon als Ende 1883 die Wiederaufnahme der den Nord-Ostsee-Kanal betreffenden Vor- 
arbeiten begann, seitens der Kaiserlichen Admiralität betont wurde, wie wünschenswerth der 
Besitz von Helgoland für die kriegerische Ausnutzung dieses Kanals sei. Es wurde ausgeführt, 
daß die Ueberführung unserer Flotte von Kiel nach Wilhelmshaven oder umgekehrt angesichts 
eines bei Helgoland liegenden Feindes nicht ohne ein voraussichtlich unter taktisch ungünstigen 
Verhältnissen durchzumachendes Gefecht möglich, und daß sie damit in Frage gestellt sein 
würde, ein Einwand, der nicht entkräftet werden konnte und dem gegenüber, da die Erwerbung 
Helgolands damals ausgeschlossen schien, von anderer Seite die Idce, den Kanal von der Elbe- 
mündung nach Westen bis in den Jadebusen fortzuführen, in Anregung gebracht wurde, eine 
Idec, deren Ausführung, wenn überhaupt möglich, enorme Kosten verursacht haben würde. 
Venn man endlich vielleicht einwenden wollte, daß Helgoland uns trotz seiner natür- 
lichen Stärke im Lauf eines Krieges doch auch einmal genommen werden könnte, und daß es 
dann besser gewesen wäre, es hätte uns nic gehört, sondern wäre neutral geblieben, so könnte 
man mit ähnlichem Grunde etwa befürchten, Diedenhofen an das neutrale Luxemburg abzutreten. 
Auch für den Einwand, daß die Insel in absehbarer Zeit in sich selbst zerfallen werde, 
fehlt die thatsächliche Unterlage. Nach geologischen Forschungen hat sich die Insel in den 
letzten 120 Jahren kaum merklich verkleinert. 
Ist die künftige Regierung von Helgoland geneigt und im Stande, den kleinen Hafen 
zu einem Zufluchtsort für Handelsschiffe und Fischerflottillen auszubauen, wozu einiger pekuniärer 
Aufwand die Voraussetzung sein würde, so wird die Insel nicht nur als Badeort ihre fried- 
liche Bedentung behalten, sondern für Schifffahrt und Fischerei erhöhten Werth erlangen. Wir
	        
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