Full text: Deutsches Kolonialblatt. II. Jahrgang, 1891. (2)

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aus eigener Anschauung zu beurtheilen. Bier, 
Brandy mit Sodawasser, schwere Weine zu 
jeder Mahlzeit, übermäßig ausgedehnte Tafel 
mit schwerer Nahrung bei minimaler körperlicher 
und geistiger Leistung; Nahrungsstoffe werden 
ausgehäuft, ohne verbraucht zu werden. Es 
ist daher nur natürlich, wenn sich die in jenem 
Klima gerade besonders gefährlichen Stoffwechsel- 
lrankheiten so häufig einstellen. Das beste Mittel 
zur Vorbengung gegen derartige Krankheiten 
sind neben der diätetisch genaun geregelten Lebens- 
weise körperliche Anstrengungen in angemessener 
Weise, seien es während der Reise Märsche oder 
auf der Station gymnaslische Uebungen und 
Sport, wie Reiten, Polo, Ballspiele und Jagd, 
wie sic die Engländer mit ausgezeichnetem 
Erfolge betreiben.“ Reichard ist der Meinung, 
daß die Gefahren der ostafrikanischen Hitze ent 
schieden überschätt worden seien, da man sich nach 
den Erfahrungen unvernünftig lebender Europäer 
oder Forschungsreisender richtete, vergessend 
oder absichtlich übersehend, daß gerade letztere 
in Folge ihrer Aufgabe ein derart unregelmäßiges 
Leben führten und so vielerlei Gesahren aus- 
gesetzt waren, daß es merkwürdig ist, wenn 
nicht ein noch höherer Prozentsatz zu Grunde 
ging. Er glaubt, daß wir in dieser Beziehung 
unbesorgt in die Zukunft blicken lönnen, 
daß auch das Fieber immer weniger Opfer 
fordern wird. 
Ein besonderes Kapitel widmet Reichard 
Sansibar, obgleich es nicht zu Deutsch Ost-Afrita 
gehört. Er schildert seine Bedeutung mit lebhaften 
Farben und bezeichnei, um seinen Einfluß zu 
brechen, als das geeignete uns zu diesem Zweck zu 
Gebote siehende Miltel die Einrichtung möglichst 
schneller und billiger Verbindungen mit Deutsch- 
land und die Herstellung solcher Waaren, mit 
denen unsere Industrie der englisch indischen 
gewachsen ist, in möglichst ausgczeichneter 
Qualität und zu möglichst billigen Preisen. 
Von besonderem Interesse sind die Aus- 
führungen des Versassers über den Sllaven- 
handel und das Verhällniß der Araber und 
Inder zu demselben, sowie zur kommerziellen 
Entwickelung des Landes überhaupt. Wir müssen 
uns aus Mangel an Raum leider versagen, 
hierbei länger zu verweilen. Die Mittheilungen 
und Anschauungen des Verfassers über diejenigen 
Völkerschaften, welche er selbst lennen gelernt 
hat, namentlich die Masiti, Wahehe und Wagogo, 
verdienen ebenfalls besondere Beachtung. 
Der Eindruck der Niederlage der Wahehe- 
Expedition wird nach Ansicht des Verfassers 
ein nachhaltiger nicht sein. Die Neger werden, 
sobald sie sehen, dast wir in unentwegter Energie 
unsere Plänc weiter verfolgen, sehr bald sich 
wieder erinnern, was ihnen nach den im Auf 
und 
stande gemachten Erfahrungen für den Fall 
eines Widerstandes bevorsteht. Doch dürfen 
wir nicht allzu vertrauensselig auf den durch 
unsere Siege hervorgebrachten Eindruck rechnen. 
Er hält es deshalb für erforderlich, die Schutz- 
truppe nicht nur auf den alten Stand zu bringen, 
sondern bedeutend zu vermehren. Nirgends 
wäre Sparsamkeit übler angebracht als hier. 
Im Schlußkapitel erörtert Reichard die 
Aussichten, die die Kolonic bietet und die Aus- 
gaben, die unserer harren. Wir heben daraus 
Folgendes hervor. 
„Deutsch-Ost Afrila umfasßt ein enormes 
Gebiet, doppelt so groß wie Deutschland; dennoch 
zeigt sich die merkwürdige Thatsache, daß in 
dem ganzen Gebiet nur eine einzige bedeutende 
Karawanenstraße nach dem Junern führt. Es 
ist die Slraße, welche von Bagamoyo oder den in 
dessen nächster Nähe gelegenen kleinen Hafenplätzen 
ausgehend, durch Usagara über Mpapua weiter 
durch Ugogo hier auf 8 bis 10 parallel laufenden 
Wegen nach Tabora führt. Von Tabora zweigt 
sie sich strahlenförmig nach allen Himmels 
richtungen, hauptsächlich nach dem Viktoria- 
Njansa, dem Tanganjita und dem Nyhassa, ab. 
Diesem Wege wird auch die zu bauende Eisen- 
bahn zu folgen haben, zumal er die wenigsten 
Terrainschwierigteiten bietet.“ Reichard glaubt, 
daß auf diesem kürzesten und billigsten Wege zur 
Küste es gelingen wird, auch den Handel aus 
den angrenzenden Besitzungen unserer Mit. 
bewerber in Afrika an uns zu ziehen und führt 
dies näher aus: er hofft, daß die Deutsch- 
Ost Afrikanische Gesellschaft hier eine Bahn 
bauen werde. Um für Elfenbein, Kautschu! 
und Kopal bei Zeiten auf Ersatz zu denken, 
weist er neben der schon begonnenen Kultur 
des Tabaks und der Baumwolle auf die ölreiche 
Arachis als die einzige sicheren Gewinn für 
die Zutunft versprechende Feldfrucht, sowie 
serner auf die Einführung der ostindischen 
Banane (Manilahanf), das Gummi Arabikum 
der Flöten-Akazie, den Thee, die Vanille und 
den Safran hin. 
Reichard ist der Meinung, daß auch in 
Ost-Afrika, ebenso wie in Kamerun und Togo 
erstrebt werden müsse, Einnahmen und Aus- 
gaben auszugleichen. „Man stelle jedoch keine 
allzu große Anforderungen in Bczug auf die 
Zeit, innerhalb welcher man dazu gelangen 
will, größere Erträge zu erzielen, und greife 
beileibe nicht zur Einführung direkter Steuern 
Das ist vorläufig undurchführbar, weil es un- 
geheuer böses Blut macht und man auf den 
heftigsten Widerstand von Seiten der Einge- 
borenen stoßen wird. Um die Einkünfte er 
tragreicher zu machen erhöhe man die Zölle.
	        
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