Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Auch zu diesem entlegenen Plateau hatte 
die Grippe den Weg gefunden und griff unter 
den Eingeborenen rasch um sich. 
Die Eingeborenen schrieben die Krankheit 
dem schädlichen Einflusse lebender oder abge- 
schiedener Wesen zu, welche ihnen besonders 
böse gesinnt seien. Daher war ich Zeuge eines 
verhältnißmäßig gemüthlichen und lustigen Aus- 
treibens aller bösen Geister aus Dorf Amed- 
sowe. Eines Tages musten alle Bewohner 
des Dorfes in ihren Hütten bleiben, damit der 
vorzunehmende Zauber nicht dadurch wirkungs- 
los werde, daß durch Jemand, welcher während 
des Austreibens — busu Fi — zusällig ab- 
wesend, böse Geister und Krankheiten im Dorfe 
blieben. Die Eingeborenen glauben Pflanzen zube- 
sitzen, welchen nach ihrer Ueberzeugung die 
Kraft innewohnt, jenen bösen Einfluß unter 
Vornahme bestimmter Handlungen zu bannen 
und zu beseitigen. 
Einige Aelteste trasen, gemüthlich ihr Thon- 
pfeischen schmauchend, die Vorbereitungen zum 
husu Fi, erst später gesellten sich ihnen unter 
einem hohen Baume zwei alte, dicke Fetisch- 
weiber zu. 
In der Hexentüche war Folgendes zu sehen: 
ein Topf Palmwein, ein Kalebasse mit röth- 
lichem Mehlc, einige am Stamm der Oelpalme 
  
  
wachsende Farrenkräuter, Blätter des Jokumi- 
baumes, junge Palmenschößlinge, mehrere Bunde 
Kletterlianen zum Gebrauch als Stricke, eine 
große Kröte, welche an einer Baumwurzel fest- 
gebunden war. 
Das Austreiben der bösen Geister und 
Krankheiten erfolgt nun ohne Assistenz der 
Fetischweiber in der Weise, daß an jedem Aus- 
gange und im Orte selbst durch Männer fol- 
gende Prozedur wiederholt wird: 
An einem in die Erde gesteckten Pfahle 
werden oben mit Benutung der Lianenbunde 
als Stricke genannte Farrenkräuter, Blätter des 
Jokumibaumes und Theile von Palmenschöß- 
lingen festgebunden, während zur hleichen Zeit 
ein Aeltester alle bösen Geister und Krankheiten 
neunt, die es giebt, und ein zweiter gleichzeitig 
und fortgesetzt von dem Palmwein an den Pfahl 
gießt, von dem röthlichen Mehle daran streicht 
und daran spuckt, indem er ebenfalls Geister 
beschwört. 
Der Sinn dieser Beschwörung ist, daß die 
Eingeborenen sich vorstellen, die sie plagenden, 
bösen Geister hätten Hunger und Durst, deshalb 
giebt man ihnen Palmwein und Mchl, welche 
mit ihnen und allen bösen Krankheiten festge- 
bunden werden. 
Der Sprecher des Häuptlings lud auch 
Herrn J. Spieth ein, an den Pfahl zu 
spucken, welcher dies jedoch ebenso ablehnte,! 
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wie von dem Palmwein zu trinken, der bereits 
den bösen Geistern geweiht war. 
Nachdem an allen Ausgängen und im Orte 
diese Prozedur vollzogen, zerrt man die dicke 
Kröte in lautem Aufzuge durch alle Gassen 
des Dorfes, während ein Aeltester, welcher folgt, 
nach rechts und links zu diesem Zwecke ge- 
weihtes Wasser sprengt, so das Dorf reinigend. 
Man ist der Ansicht, daß alles Böse in die 
Kröte fahre und sich in ihr konzentrire, welche 
man nach beendetem Zauber schließlich außer- 
halb des Dorfes in den Busch schleudert und 
wähnt, mit derselben auch alle bösen Krank- 
heiten aus dem Dorse entfernt zu haben. 
Da die unheimliche Grippe Nangunterschiede 
nicht kennt, hatte sie auch an höchster Stelle 
ihren Einzug gehalten, und der Stammesälteste 
Adzatekpo konnte Vhane nicht verlassen, so daß 
ich auf die Ehre seines Besuchs verzichten mußie, 
doch verfehlte er nicht, mich wiederholt grüßen 
und für Wegebesserung die verdiente, klingende 
Belohnung in Empfang nehmen zu lassen, 
welche auch noch einige andere Häuptlinge er- 
hielten. Dies rief einen so guten Eindruck 
hervor, daß ich auf dem Rückwege nach Misa- 
höhe wiederholt Ortschaften bei der Wege- 
besserung überraschte. 
Nachdem ich mich unter der guten Pflege 
der Mission wieder völlig erholt, trat ich am 
3. d. M. um P Uhr Morgens die Rückreise an. 
In Leglebi traf ich auf festliche Stimmung, 
da gleichzeitig drei Jungfrauen, deren weibliche 
Schönheit sich von der Knospe zur Blüthe ent- 
faltet hatte, Hochzeit seiern sollten. 
Dic fast nackten, üUppigen, jugendschönen 
Weiber, welche als ächte Naturkinder in naiver 
und freier Konkurrenz jedem Beobachter alle 
Reize ihrer weichen Körpersormen zu bewundern 
gestatteten, waren um Hals und Hüften kokett 
mit zahlreichen Korallen= und Perlenschnüren 
überladen gcziert, während die zarten Fessel- 
gelenke rothe Bänder oder Tücher, welche als 
Schutz silberne Fußringe umhüllten, schmückten. 
Auch die Handgelenke, die Oberarme über dem 
Mustel, sowie die Unterschenkel über der Wade 
waren je nach dem Reichthum der schwarzen 
Braut mit Silberringen, Korallen= oder Perlen- 
schnüren nicht ohne Geschmack geziert, da die 
Afrikanerin am Hochzeitstage putzsüchtig und 
protzenhaft Alles an ihren Körper hängt, was 
sie überhaupt an Schmuckgegenständen besitt. 
Einc ebenso einfache wie schöne Zier bildete 
ein chromgelbes oder rothes Stirntuch bezw. 
Stiruband, welches die schwarzen Krausköpfeganz 
allerliebst kleidete. Einigermaßen beeinträchtigt 
wurde der Eindruck dadurch, daß die drei 
Grazien die Schultern, die Stirn, ihre schwellen- 
den Brüste und die Arme zum Theil mit einem
	        
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