Auch zu diesem entlegenen Plateau hatte
die Grippe den Weg gefunden und griff unter
den Eingeborenen rasch um sich.
Die Eingeborenen schrieben die Krankheit
dem schädlichen Einflusse lebender oder abge-
schiedener Wesen zu, welche ihnen besonders
böse gesinnt seien. Daher war ich Zeuge eines
verhältnißmäßig gemüthlichen und lustigen Aus-
treibens aller bösen Geister aus Dorf Amed-
sowe. Eines Tages musten alle Bewohner
des Dorfes in ihren Hütten bleiben, damit der
vorzunehmende Zauber nicht dadurch wirkungs-
los werde, daß durch Jemand, welcher während
des Austreibens — busu Fi — zusällig ab-
wesend, böse Geister und Krankheiten im Dorfe
blieben. Die Eingeborenen glauben Pflanzen zube-
sitzen, welchen nach ihrer Ueberzeugung die
Kraft innewohnt, jenen bösen Einfluß unter
Vornahme bestimmter Handlungen zu bannen
und zu beseitigen.
Einige Aelteste trasen, gemüthlich ihr Thon-
pfeischen schmauchend, die Vorbereitungen zum
husu Fi, erst später gesellten sich ihnen unter
einem hohen Baume zwei alte, dicke Fetisch-
weiber zu.
In der Hexentüche war Folgendes zu sehen:
ein Topf Palmwein, ein Kalebasse mit röth-
lichem Mehlc, einige am Stamm der Oelpalme
wachsende Farrenkräuter, Blätter des Jokumi-
baumes, junge Palmenschößlinge, mehrere Bunde
Kletterlianen zum Gebrauch als Stricke, eine
große Kröte, welche an einer Baumwurzel fest-
gebunden war.
Das Austreiben der bösen Geister und
Krankheiten erfolgt nun ohne Assistenz der
Fetischweiber in der Weise, daß an jedem Aus-
gange und im Orte selbst durch Männer fol-
gende Prozedur wiederholt wird:
An einem in die Erde gesteckten Pfahle
werden oben mit Benutung der Lianenbunde
als Stricke genannte Farrenkräuter, Blätter des
Jokumibaumes und Theile von Palmenschöß-
lingen festgebunden, während zur hleichen Zeit
ein Aeltester alle bösen Geister und Krankheiten
neunt, die es giebt, und ein zweiter gleichzeitig
und fortgesetzt von dem Palmwein an den Pfahl
gießt, von dem röthlichen Mehle daran streicht
und daran spuckt, indem er ebenfalls Geister
beschwört.
Der Sinn dieser Beschwörung ist, daß die
Eingeborenen sich vorstellen, die sie plagenden,
bösen Geister hätten Hunger und Durst, deshalb
giebt man ihnen Palmwein und Mchl, welche
mit ihnen und allen bösen Krankheiten festge-
bunden werden.
Der Sprecher des Häuptlings lud auch
Herrn J. Spieth ein, an den Pfahl zu
spucken, welcher dies jedoch ebenso ablehnte,!
306 —
wie von dem Palmwein zu trinken, der bereits
den bösen Geistern geweiht war.
Nachdem an allen Ausgängen und im Orte
diese Prozedur vollzogen, zerrt man die dicke
Kröte in lautem Aufzuge durch alle Gassen
des Dorfes, während ein Aeltester, welcher folgt,
nach rechts und links zu diesem Zwecke ge-
weihtes Wasser sprengt, so das Dorf reinigend.
Man ist der Ansicht, daß alles Böse in die
Kröte fahre und sich in ihr konzentrire, welche
man nach beendetem Zauber schließlich außer-
halb des Dorfes in den Busch schleudert und
wähnt, mit derselben auch alle bösen Krank-
heiten aus dem Dorse entfernt zu haben.
Da die unheimliche Grippe Nangunterschiede
nicht kennt, hatte sie auch an höchster Stelle
ihren Einzug gehalten, und der Stammesälteste
Adzatekpo konnte Vhane nicht verlassen, so daß
ich auf die Ehre seines Besuchs verzichten mußie,
doch verfehlte er nicht, mich wiederholt grüßen
und für Wegebesserung die verdiente, klingende
Belohnung in Empfang nehmen zu lassen,
welche auch noch einige andere Häuptlinge er-
hielten. Dies rief einen so guten Eindruck
hervor, daß ich auf dem Rückwege nach Misa-
höhe wiederholt Ortschaften bei der Wege-
besserung überraschte.
Nachdem ich mich unter der guten Pflege
der Mission wieder völlig erholt, trat ich am
3. d. M. um P Uhr Morgens die Rückreise an.
In Leglebi traf ich auf festliche Stimmung,
da gleichzeitig drei Jungfrauen, deren weibliche
Schönheit sich von der Knospe zur Blüthe ent-
faltet hatte, Hochzeit seiern sollten.
Dic fast nackten, üUppigen, jugendschönen
Weiber, welche als ächte Naturkinder in naiver
und freier Konkurrenz jedem Beobachter alle
Reize ihrer weichen Körpersormen zu bewundern
gestatteten, waren um Hals und Hüften kokett
mit zahlreichen Korallen= und Perlenschnüren
überladen gcziert, während die zarten Fessel-
gelenke rothe Bänder oder Tücher, welche als
Schutz silberne Fußringe umhüllten, schmückten.
Auch die Handgelenke, die Oberarme über dem
Mustel, sowie die Unterschenkel über der Wade
waren je nach dem Reichthum der schwarzen
Braut mit Silberringen, Korallen= oder Perlen-
schnüren nicht ohne Geschmack geziert, da die
Afrikanerin am Hochzeitstage putzsüchtig und
protzenhaft Alles an ihren Körper hängt, was
sie überhaupt an Schmuckgegenständen besitt.
Einc ebenso einfache wie schöne Zier bildete
ein chromgelbes oder rothes Stirntuch bezw.
Stiruband, welches die schwarzen Krausköpfeganz
allerliebst kleidete. Einigermaßen beeinträchtigt
wurde der Eindruck dadurch, daß die drei
Grazien die Schultern, die Stirn, ihre schwellen-
den Brüste und die Arme zum Theil mit einem