Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Der Marsch ging im stetig sleigenden oder 
fallenden Gelände gut von statten, dagegen 
zerriß die Kolonne nach Durchschreitung der 
vielfachen steilwandigen Schluchten, sowie auf 
steinigem Boden dermaßen, daß ich genöthigt 
war, fast nach jedem derartigen Hindernisse 
einen Halt einzuschalten. 
Seit 5¾ Uhr in Bewegung, machte ich 
gegen 3½ Uhr Nachmittags zum tetzten Male 
Halt und vertheilte einen Sack Hartbrot unter 
die Mannschaft. Nach einer Viertelstunde 
brachte Headmann Mama, welchen ich als 
Posten auf dem Wege vorgeschoben hatte, 
mir Meldung, das in der Ferne Schießen 
hörbar sei. 
In beschleunigter Gangart rückte ich jetzt 
vorwärts. An einem Höhenrande aulangend, 
welcher einige Aussicht über das vorliegende 
Buschland gewährte, sah ich dichten Rauch 
emporstcigen und hörte heftiger und in größerer 
Ausdehnung das Gewehrgeknatter. Ich kom- 
mandirte: „Lasten nieder!“ „Held bleibt als 
Bedeckung zurückl!“ „Marsch! Marsch!“ 
Im Lausschritt und Schritt gelangte ich 
nach ungefähr 10 Minuten an einen freien 
Platz und sah dortselbst den Arzt bei einem 
verwundeten Offizier beschäftigt, den ich im 
Vorbeistürmen nicht erkannte. An der Palli- 
sademvand angelangt, traf ich den stellver- 
tretenden Gouverneur v. Schuckmann, wel- 
cher mir mittheilte, daß Freiherr v. Graven- 
reuth schwer verwundet sei. Meine tiefe 
Erregung hierüber verdoppelte mein Bestreben, 
durch die Vertheidigungswand hindurch zu 
gelangen. Die letztere war zwar an einigen 
Stellen rasch durchbrochen, allein unmittelbar 
hinter derselben bildete sich eine Plänklerkette, 
deren regelloses Feuern nach der vorliegenden 
Schlucht zunächst ein Vorwärtsgehen unmöglich 
machte. Auf einer Feuerlinie von ungefähr 
200 Schritt Länge sanden sich nur 1 Weiße 
vertheilt, welche energisch bemüht waren, der 
ungezielten Feuerabgabe Einhalt zu thun: 
v. Schuckmann, v. Stetten, Pfeil und ich. 
Als an einigen Stellen das Feuern aufhörte, 
sprang ich vom Wege nach der Schlucht hinunter; 
auf der gegenüberliegenden Höhe angelangt, 
erfolgte bald wieder ein zielloses Feuern nach 
allen Richtungen, so daß die eigene Truppe 
gefährdet schien. Durch Vorwärtstreiben 
wurde diesmal das Feuer bald gestopft. Auf 
einem freien Platze eilten die Mannschaften 
nach drei Seiten auseinander. Ich ließ sofort 
sammeln. Es gelang mir mit Hülse meines 
Dolmetsch Pelegrin, etwa 30 Man in 
2 Gliedern zu rangiren und diese als Reserve 
hier zu belassen. Dann ging ich mit Fulzu 
(Diener v. Schuckmanns), 
  
welcher mir als 
18 — 
Dolmetsch diente, und einigen 20 Leuten 
wieder vorwärts. Es wurde der Marsch nur 
durch vereinzelte Schüsse aus dem Busche beun- 
ruhigt. Nach Durchschreikung eines tief einge- 
schnittenen Bachcs gelangte ich auf einen freien 
Platz und gewahrte dort einen Weißen; es 
war Dr. Preuß, dessen Ausfsuchen seit 
Verlassen der Boma mein nächstes Ziel ge- 
wesen war. Wir eilten zusammen den nur 
noch kurzen Weg nach der Station hinauf 
und besetzten dieselbe. 
Ich entsandte 2 Patrouillen, um die nächst- 
gelegenen Hütten niederzubrennen. Hierbei 
wurde ein Mann meines 2. Zuges erschossen. 
Nach einer halben Stunde kam der stellver- 
tretende Gonverneur v. Schuckmann und bald 
darauf Premierlieutenant v. Stetten mit den 
Lasten. Auf Weisung des stellvertretenden 
Gonverncurs ging ich dem Leichnam des 
Hauptmanns Frhrn. v. Gravenreuth entgegen, 
um denselben durch eine kleine Arricregarde 
gegen etwaigen Ueberfall zu schützen. Es 
fielen nahe der Schlucht, ctwa 5 Minnten 
von der Station entfernt, mehrere Schüsse auf 
15 Schrilt Distanz gegen die Nachhut. 
Nach Ankunft an der Station wurden 
auf denjenigen Punkten innerhalb der Stations- 
umsriedigung, welche Dr. Preuß als gefahr- 
drohend bezeichucte, Doppelposten aufgestellt. 
Die Verluste der Kompagnie an diesem 
Tage betrugen: 1 schwarzer Soldat todt, 
3 vermißt, 2 verwundet. Von den 3 Ver- 
misten hatten 2 Mann während des Gefechtes 
sich verlaufen und waren selbstständig in voller 
Armatur nach Victoria zurückgekehrt. 
Die Expedition in das südliche Ramerun- 
Dinterland. 
Nach den aus Kamerun eingetroffenen, 
durch die mündliche Berichterstattung des 
Premierlicutenants v. Stetten ergänzten Be- 
richten ist das von dem verstorbenen Haupt- 
mann v. Gravenreuth angeworbene Träger- 
korps so mangelhaft, daß vor einer Ergänzung 
desselben und vor Ersatz der untauglichen 
durch taugliche Personen die Expedition in 
das Hinterland vorzugehen außer Stande ist. 
Die einigermaßen tüchtigen Leute sind dabei, 
die Station Edca zu befestigen und Wege 
nach Jannde und Balinga zu bauen. Die 
Anwerbung eines kräftigen und zum Tragen 
geeigneten Ersatzes wird voraussichtlich einige 
Zeit in Anspruch nehmen, da der Träger- 
mangel an der westafeikanichen Küste mehr 
und mehr füglbar it ist.
	        
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