Der Marsch ging im stetig sleigenden oder
fallenden Gelände gut von statten, dagegen
zerriß die Kolonne nach Durchschreitung der
vielfachen steilwandigen Schluchten, sowie auf
steinigem Boden dermaßen, daß ich genöthigt
war, fast nach jedem derartigen Hindernisse
einen Halt einzuschalten.
Seit 5¾ Uhr in Bewegung, machte ich
gegen 3½ Uhr Nachmittags zum tetzten Male
Halt und vertheilte einen Sack Hartbrot unter
die Mannschaft. Nach einer Viertelstunde
brachte Headmann Mama, welchen ich als
Posten auf dem Wege vorgeschoben hatte,
mir Meldung, das in der Ferne Schießen
hörbar sei.
In beschleunigter Gangart rückte ich jetzt
vorwärts. An einem Höhenrande aulangend,
welcher einige Aussicht über das vorliegende
Buschland gewährte, sah ich dichten Rauch
emporstcigen und hörte heftiger und in größerer
Ausdehnung das Gewehrgeknatter. Ich kom-
mandirte: „Lasten nieder!“ „Held bleibt als
Bedeckung zurückl!“ „Marsch! Marsch!“
Im Lausschritt und Schritt gelangte ich
nach ungefähr 10 Minuten an einen freien
Platz und sah dortselbst den Arzt bei einem
verwundeten Offizier beschäftigt, den ich im
Vorbeistürmen nicht erkannte. An der Palli-
sademvand angelangt, traf ich den stellver-
tretenden Gouverneur v. Schuckmann, wel-
cher mir mittheilte, daß Freiherr v. Graven-
reuth schwer verwundet sei. Meine tiefe
Erregung hierüber verdoppelte mein Bestreben,
durch die Vertheidigungswand hindurch zu
gelangen. Die letztere war zwar an einigen
Stellen rasch durchbrochen, allein unmittelbar
hinter derselben bildete sich eine Plänklerkette,
deren regelloses Feuern nach der vorliegenden
Schlucht zunächst ein Vorwärtsgehen unmöglich
machte. Auf einer Feuerlinie von ungefähr
200 Schritt Länge sanden sich nur 1 Weiße
vertheilt, welche energisch bemüht waren, der
ungezielten Feuerabgabe Einhalt zu thun:
v. Schuckmann, v. Stetten, Pfeil und ich.
Als an einigen Stellen das Feuern aufhörte,
sprang ich vom Wege nach der Schlucht hinunter;
auf der gegenüberliegenden Höhe angelangt,
erfolgte bald wieder ein zielloses Feuern nach
allen Richtungen, so daß die eigene Truppe
gefährdet schien. Durch Vorwärtstreiben
wurde diesmal das Feuer bald gestopft. Auf
einem freien Platze eilten die Mannschaften
nach drei Seiten auseinander. Ich ließ sofort
sammeln. Es gelang mir mit Hülse meines
Dolmetsch Pelegrin, etwa 30 Man in
2 Gliedern zu rangiren und diese als Reserve
hier zu belassen. Dann ging ich mit Fulzu
(Diener v. Schuckmanns),
welcher mir als
18 —
Dolmetsch diente, und einigen 20 Leuten
wieder vorwärts. Es wurde der Marsch nur
durch vereinzelte Schüsse aus dem Busche beun-
ruhigt. Nach Durchschreikung eines tief einge-
schnittenen Bachcs gelangte ich auf einen freien
Platz und gewahrte dort einen Weißen; es
war Dr. Preuß, dessen Ausfsuchen seit
Verlassen der Boma mein nächstes Ziel ge-
wesen war. Wir eilten zusammen den nur
noch kurzen Weg nach der Station hinauf
und besetzten dieselbe.
Ich entsandte 2 Patrouillen, um die nächst-
gelegenen Hütten niederzubrennen. Hierbei
wurde ein Mann meines 2. Zuges erschossen.
Nach einer halben Stunde kam der stellver-
tretende Gonverneur v. Schuckmann und bald
darauf Premierlieutenant v. Stetten mit den
Lasten. Auf Weisung des stellvertretenden
Gonverncurs ging ich dem Leichnam des
Hauptmanns Frhrn. v. Gravenreuth entgegen,
um denselben durch eine kleine Arricregarde
gegen etwaigen Ueberfall zu schützen. Es
fielen nahe der Schlucht, ctwa 5 Minnten
von der Station entfernt, mehrere Schüsse auf
15 Schrilt Distanz gegen die Nachhut.
Nach Ankunft an der Station wurden
auf denjenigen Punkten innerhalb der Stations-
umsriedigung, welche Dr. Preuß als gefahr-
drohend bezeichucte, Doppelposten aufgestellt.
Die Verluste der Kompagnie an diesem
Tage betrugen: 1 schwarzer Soldat todt,
3 vermißt, 2 verwundet. Von den 3 Ver-
misten hatten 2 Mann während des Gefechtes
sich verlaufen und waren selbstständig in voller
Armatur nach Victoria zurückgekehrt.
Die Expedition in das südliche Ramerun-
Dinterland.
Nach den aus Kamerun eingetroffenen,
durch die mündliche Berichterstattung des
Premierlicutenants v. Stetten ergänzten Be-
richten ist das von dem verstorbenen Haupt-
mann v. Gravenreuth angeworbene Träger-
korps so mangelhaft, daß vor einer Ergänzung
desselben und vor Ersatz der untauglichen
durch taugliche Personen die Expedition in
das Hinterland vorzugehen außer Stande ist.
Die einigermaßen tüchtigen Leute sind dabei,
die Station Edca zu befestigen und Wege
nach Jannde und Balinga zu bauen. Die
Anwerbung eines kräftigen und zum Tragen
geeigneten Ersatzes wird voraussichtlich einige
Zeit in Anspruch nehmen, da der Träger-
mangel an der westafeikanichen Küste mehr
und mehr füglbar it ist.