Ein melodisches Pfeisen erregt meine Aufmerk-
samkeit, und es bietet sich ein merkwürdiger
Anblick dar. Eine größere Zahl junger Männer,
ähnlich den Frauen geschmückt, ohne Lendentuch,
mit dem üblichen Grasbüschel, hier jedoch aus
der Faser der Banane hergestellt und mit den
Schwanzfedern des grauen Papageis verziert,
das männliche Glied mit einer kleinen Kappe
bedeckt, auf welcher ebenfalls eine solche Feder
befestigt ist, mit Armbändern, Halsringen,
Kettchen und anderen Zierrathen, alle aus
weißem Holze gefertigt, von oben bis unten
weiß mit Thon bemalt, lassen mit ihren Paus-
pfeisen eine melodische Musik erschallen; es
sind die Medizinlente (Imboballa) mit ihren
Zöglingen, an denen die Stammesmarkung
vollzogen werden soll. Dieselben leben je nach-
dem ¼ oder ½ Jahr in einer zu diesem
Zwecke bei dem Dorfe errichteten Hütte, worin
sich ein Götzenbild befindet (Ingium), und
werden dort in die Geheimnisse ihres Stammes
eingeweiht. Der Zutritt zu diesen Lokalitäten
ist jedoch Keinem ohne Stammesmarkung, noch
Frauen und Kindern gestattet. Dieselben dür-
sen kein Schaf= noch Ziegenfleisch essen, sich
nicht mit Frauen abgeben, noch sich waschen.
Sollte es dennoch vorkommen, daß er sich
waschen muß, so hat er, um den Verstoß zu
fühnen, vorher ein Huhn zu schlächten. Sie
gehen bis zum Haupkfeste in alle umliegenden
Dörfer, woselbslt sie tanzen und zwar Frauen-
tänze mit Necken und Verhöhnen, um so ihre
Abneigung gegen das schöne Geschlecht erkennen
zu lassen, daher auch ihr Putz. Sie erhalten
je nach Reichthum der Häuptlinge ein Geschenk,
siehlen auch bei Eintritt der Dunkelheit unter
dem Schutze ihres Fetischkleides verlaufene
Hühner, Schafe oder Ziegen, welche vielleicht
von ihrem Lehrer verzehrt werden. Sie werden
von ihren Angehörigen unterhalten. Nach dem
Hauptfeste, auch wenn sie aus dieser Lehre
entlassen sind, haben sie noch andere Grade
durchzumachen. Sie bekleiden sich dann mit
einem weißen Lendenschurze, darüber ein Gürtel,
der in mehrere lange Schnüre, die an ihren
Enden rothe Papageifedern haben, ausläuft,
tragen die betreffenden Ketten um den Hals,
auf dem Kopse eine neue Kriegskappe aus den
Federn des Turaco, die außerdem zur größeren
Zierde mit den obenerwähnten Papageifedern
verziert sind, und wird der Thon nur an be-
stimmte Körpertheile gemalt. Beim letzten
Grade tragen sie denselben nur bis zum Ober-
schenkel auf, was genau so aussieht, als hätten
sie Damenstrümpfe an. Nach einer unbestimm-
ten Zeit solgt noch ein Fest, wobei mehrere
Schafe geschlachtet werden, worauf sie als
Stammesmilglieder gelten. Sie nähern sich
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meinem Platze und geben einige Tänze zum
Besten. Dieselben werden „Infun“ genannt.
Ich belohne sie mit einigen Dußend Knöpsen,
der hier üblichen Münze.
Doch meine Aufmerksamkeit wird wieder
durch eine recht nette bunte Szene gefesselt; cs
ist ein großer Trupp Menschen, voran der
Festgeber in stolzer Haltung, alles jauchzend
und mit den Waffen spielend, ziehen dieselben
das Dorf entlang, es ist eine Ovation, welche
dem Festgeber dargebracht wird. Ein sieges-
bewußtes Lächeln verklärt sein schwarzbraunes
Gesicht, während seine Augen sich nach allen
Richtungen wenden. Sie erreicht ihr Ende
mit Abseuern ihrer Flinten.
Tänze und allerlei Kurzweil vertreiben den
Anwesenden die Zeit, bis lautes Schießen den
Anfang der Stammesmarkung verkündct. Der
Festplatz des Ingium ist freigeschlagen, so daß
die Umzäunung des Jnfunhauses sichtbar ist,
selbiges ist noch durch Palmwedel verdeckt. An
der rechten Seite ist auf vier Pfählen eine
Tribüne errichlet, auf welcher die Musik Platz
genommen hat. Das Olrchester besteht aus
vier großen und zwei kleinen Trommeln. An
den Bäumen, nahe dem Ingiumbilde, sind
Queräste angebracht, auf welchen Leute sitzen
und von Zeit zu Zeit Schüsse absenern. Das
Hintertheil des Figuren tragenden Baum-
stammes ragt noch in die Umzännung des
Insunhauses, so eine Gallerie bildend.
Es herrscht eine ungewöhnliche Stille, welche
ungefähr 10 Minuten anhält, und auf einmal
durch Singen, Schreien, Pfeifen, Trommeln
und Schießen unterbrochen wird. Ein Trupp
Menschen kommt von dem Ingiumplatze unter
Laufen einher, alle mit Messern bewaffnet, sich
nach einem nahen Platze beim Dorfe begebend,
zurückkehrend binnen wenigen Minnten, alle
mit Zweigen und Palmwedeln in den Händen,
sich nach dem Fetischhause zu bewegend. Es
wiederholt sich dieses mehrere Male unter
Trommeln, Schießen und Schreien. In den
Zwischenpausen gehen die Infunleute anderer
Ortschaften, mit langen weißen Stöcken be-
waffnet, durch die Menge, voran einer mit
einem aus einer Liane hergestellten Handwedel,
bei dessen Schütteln ein weißes Pulver auf
steigl, welches zum Niesen und Husten reizt
(gleich dem Schneeberger Schnupftabak). Auf
der Gallerie erscheint der erste Kuabe, unter
lautem Schießen. Hinter der Einsenkung
wird bei jedem vollendeten Markungszeichen
eine Ziege geschlachtet, das Fleisch wird dann
vertheilt, dazu wird wiederum viel geschossen.
Bei dem hiesigen Pulverpreise ein großartiger
Kostenaufwand und nebenbei großer Leichtsinn
bei ihren ewigen kleinen Palavern.