Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Ein melodisches Pfeisen erregt meine Aufmerk- 
samkeit, und es bietet sich ein merkwürdiger 
Anblick dar. Eine größere Zahl junger Männer, 
ähnlich den Frauen geschmückt, ohne Lendentuch, 
mit dem üblichen Grasbüschel, hier jedoch aus 
der Faser der Banane hergestellt und mit den 
Schwanzfedern des grauen Papageis verziert, 
das männliche Glied mit einer kleinen Kappe 
bedeckt, auf welcher ebenfalls eine solche Feder 
befestigt ist, mit Armbändern, Halsringen, 
Kettchen und anderen Zierrathen, alle aus 
weißem Holze gefertigt, von oben bis unten 
weiß mit Thon bemalt, lassen mit ihren Paus- 
pfeisen eine melodische Musik erschallen; es 
sind die Medizinlente (Imboballa) mit ihren 
Zöglingen, an denen die Stammesmarkung 
vollzogen werden soll. Dieselben leben je nach- 
dem ¼ oder ½ Jahr in einer zu diesem 
Zwecke bei dem Dorfe errichteten Hütte, worin 
sich ein Götzenbild befindet (Ingium), und 
werden dort in die Geheimnisse ihres Stammes 
eingeweiht. Der Zutritt zu diesen Lokalitäten 
ist jedoch Keinem ohne Stammesmarkung, noch 
Frauen und Kindern gestattet. Dieselben dür- 
sen kein Schaf= noch Ziegenfleisch essen, sich 
nicht mit Frauen abgeben, noch sich waschen. 
Sollte es dennoch vorkommen, daß er sich 
waschen muß, so hat er, um den Verstoß zu 
fühnen, vorher ein Huhn zu schlächten. Sie 
gehen bis zum Haupkfeste in alle umliegenden 
Dörfer, woselbslt sie tanzen und zwar Frauen- 
tänze mit Necken und Verhöhnen, um so ihre 
Abneigung gegen das schöne Geschlecht erkennen 
zu lassen, daher auch ihr Putz. Sie erhalten 
je nach Reichthum der Häuptlinge ein Geschenk, 
siehlen auch bei Eintritt der Dunkelheit unter 
dem Schutze ihres Fetischkleides verlaufene 
Hühner, Schafe oder Ziegen, welche vielleicht 
von ihrem Lehrer verzehrt werden. Sie werden 
von ihren Angehörigen unterhalten. Nach dem 
Hauptfeste, auch wenn sie aus dieser Lehre 
entlassen sind, haben sie noch andere Grade 
durchzumachen. Sie bekleiden sich dann mit 
einem weißen Lendenschurze, darüber ein Gürtel, 
der in mehrere lange Schnüre, die an ihren 
Enden rothe Papageifedern haben, ausläuft, 
tragen die betreffenden Ketten um den Hals, 
auf dem Kopse eine neue Kriegskappe aus den 
Federn des Turaco, die außerdem zur größeren 
Zierde mit den obenerwähnten Papageifedern 
verziert sind, und wird der Thon nur an be- 
stimmte Körpertheile gemalt. Beim letzten 
Grade tragen sie denselben nur bis zum Ober- 
schenkel auf, was genau so aussieht, als hätten 
sie Damenstrümpfe an. Nach einer unbestimm- 
ten Zeit solgt noch ein Fest, wobei mehrere 
Schafe geschlachtet werden, worauf sie als 
Stammesmilglieder gelten. Sie nähern sich 
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meinem Platze und geben einige Tänze zum 
Besten. Dieselben werden „Infun“ genannt. 
Ich belohne sie mit einigen Dußend Knöpsen, 
der hier üblichen Münze. 
Doch meine Aufmerksamkeit wird wieder 
durch eine recht nette bunte Szene gefesselt; cs 
ist ein großer Trupp Menschen, voran der 
Festgeber in stolzer Haltung, alles jauchzend 
und mit den Waffen spielend, ziehen dieselben 
das Dorf entlang, es ist eine Ovation, welche 
dem Festgeber dargebracht wird. Ein sieges- 
bewußtes Lächeln verklärt sein schwarzbraunes 
Gesicht, während seine Augen sich nach allen 
Richtungen wenden. Sie erreicht ihr Ende 
mit Abseuern ihrer Flinten. 
Tänze und allerlei Kurzweil vertreiben den 
Anwesenden die Zeit, bis lautes Schießen den 
Anfang der Stammesmarkung verkündct. Der 
Festplatz des Ingium ist freigeschlagen, so daß 
die Umzäunung des Jnfunhauses sichtbar ist, 
selbiges ist noch durch Palmwedel verdeckt. An 
der rechten Seite ist auf vier Pfählen eine 
Tribüne errichlet, auf welcher die Musik Platz 
genommen hat. Das Olrchester besteht aus 
vier großen und zwei kleinen Trommeln. An 
den Bäumen, nahe dem Ingiumbilde, sind 
Queräste angebracht, auf welchen Leute sitzen 
und von Zeit zu Zeit Schüsse absenern. Das 
Hintertheil des Figuren tragenden Baum- 
stammes ragt noch in die Umzännung des 
Insunhauses, so eine Gallerie bildend. 
Es herrscht eine ungewöhnliche Stille, welche 
ungefähr 10 Minuten anhält, und auf einmal 
durch Singen, Schreien, Pfeifen, Trommeln 
und Schießen unterbrochen wird. Ein Trupp 
Menschen kommt von dem Ingiumplatze unter 
Laufen einher, alle mit Messern bewaffnet, sich 
nach einem nahen Platze beim Dorfe begebend, 
zurückkehrend binnen wenigen Minnten, alle 
mit Zweigen und Palmwedeln in den Händen, 
sich nach dem Fetischhause zu bewegend. Es 
wiederholt sich dieses mehrere Male unter 
Trommeln, Schießen und Schreien. In den 
Zwischenpausen gehen die Infunleute anderer 
Ortschaften, mit langen weißen Stöcken be- 
waffnet, durch die Menge, voran einer mit 
einem aus einer Liane hergestellten Handwedel, 
bei dessen Schütteln ein weißes Pulver auf 
steigl, welches zum Niesen und Husten reizt 
(gleich dem Schneeberger Schnupftabak). Auf 
der Gallerie erscheint der erste Kuabe, unter 
lautem Schießen. Hinter der Einsenkung 
wird bei jedem vollendeten Markungszeichen 
eine Ziege geschlachtet, das Fleisch wird dann 
vertheilt, dazu wird wiederum viel geschossen. 
Bei dem hiesigen Pulverpreise ein großartiger 
Kostenaufwand und nebenbei großer Leichtsinn 
bei ihren ewigen kleinen Palavern.
	        
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